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Elternleben

Arm trotz Arbeit #Gastpost von Frau Papa und #StopKinderamut von Alu

Über faule Menschen, die auf Kosten anderer leben – über uns

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Kann man nicht essen..oder doch?
Es ist Dienstag Abend, 19:25 Uhr. Die Kinder turnen auf dem Sofa herum, während ich den Tisch decke. Mein Handy vibriert. Über WhatsApp schreibt meine Frau, dass es noch ein wenig länger dauern wird. Ich seufze ein wenig und schreibe ihr, dass ich ihr Abendessen schon mal zur Seite stelle.

Meine Frau arbeitet in einer Umzugsfirma.

Ja, ich weiß, das Bild haben viele im Kopf, aber nein, sie schleppt keine Möbel, sie ist Einpackerin. Wann immer Menschen einen Umzug haben und entweder nicht selbst packen können oder wollen, kommt sie zum Einsatz. Heute ist so ein Einsatz. Am Dienstplan steht nur die Adresse und die Anzahl der Kubikmeter – grob geschätzt die Größe aller Möbel. Der zeitliche Aufwand ist oft erst beim Kunden abschätzbar.
Heute packt sie mit ihren Kolleginnen einen ganzen Haushalt ein, das bedeutet Geschirr, Bücher, Spielsachen, Dekoration, einfach gesagt: alles, was in Umzugskartons gepackt werden muss. Und gerade steht sie in einem Keller und das wohl noch eine Stunde. Danach eine Fahrt von etwa einer Stunde bis zum Büro. Dann kann sie zur Bushaltestelle gehen. Die Kinder werden also schon schlafen, wenn sie zu Hause ankommt.
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bunt.
Laut Vertrag hat meine Frau einen Teilzeitjob. Sie arbeitet mindestens 15 Stunden pro Woche, in der Realität sind es meistens mehr als 30 Stunden. Sie verdient etwa 30 Cent mehr, als den gesetzlichen Mindestlohn. Ihre Arbeitszeiten sind extrem variabel, aber nicht flexibel. Umzüge lassen sich nicht so leicht verschieben.

Wie soll das gehen mit vier Kindern?

Ich bin zu Hause bei den Kindern. Seit drei Jahren suche ich eine Arbeitsstelle. Seit einem Jahr hat meine Frau ihren Job. Dass ihr Arbeitgeber sie trotz ihrer vier Kinder einstellte, war für uns eine große Überraschung. Wir waren so froh, als sie den Vertrag für eine sozialversicherungspflichtigen Job unterschreiben durfte. Obwohl uns klar war, dass wir trotzdem weiterhin Hartz4 beziehen würden, wir haben seitdem einen Funken Hoffnung…

Hartz IV als Makel für alle Menschen


Ja, wir leben von Hartz4. Das Einkommen meiner Frau reicht nicht aus, um aus den Bezügen zu kommen. Finanziell hat sich unsere Situation durch die Arbeit kaum verändert. Wir liegen weit unter der Grenze des Einkommens, das für den Bezug von Wohngeld und Kinderzuschlag erforderlich wäre.
 Ich bringe die Kinder ins Bett, lese eine Geschichte vor, setze mich ins Wohnzimmer und warte. Auf Twitter diskutiere ich über Kinderarmut und erkläre, dass trotz Bildung und Teilhabe keines meiner Kinder ein Instrument lernen kann, dass meine beiden kleinsten nicht Schwimmen können und setze mich danach an den Laptop, um einen Text für ein Magazin zu schreiben, damit ich in meinen Bewerbungen auch aktuelle Referenzen angeben kann.
Gegen 22:00 Uhr kommt meine Frau nach Hause. Morgen sollte sie eigentlich frei haben, aber eine Kollegin ist krank geworden und deshalb müsse sie einspringen. Ich nicke. Ja, wir beziehen Hartz4, wir sind das, was immer und immer wieder als Sozialschmarotzer bezeichnet wird, wir sind eine der Familien, deren Kinder nicht zum Kindergeburtstag ihrer Freunde gehen können, weil am Monatsende keine 10 € für ein Geschenk übrig sind… Wir sind die, die nur faul herum sitzen und vom Geld anderer leben – leben müssen.
Ein #Gastpost von FrauPapa
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Was das wohl morgen noch wert ist?
 
Teil 2 von Alu:

Hartz IV ist längst kein Makel mehr, Hartz IV ist in der Gesellschaft angekommen.

Bevor ich meine Arbeit aufnahm, da hatte ich kein Bild von Menschen ohne Arbeit. Ich kannte einfach so viele unterschiedliche Menschen die eben keine Arbeit hatten und deshalb in den Bezug von ALGI und später ALG II rutschten. Lehrlinge die nach ihrer Lehre nicht übernommen worden waren, Studenten die keinen Job fanden und Schüler die immer wieder an der Grenze zum Überleben schrammten.
Ich hatte kein Bild und vielleicht hat mich genau diese Einstellung davor bewahrt jemals Kruste an meinem Herzen anzusetzen, trotz eines Jobs der jeden Tag von einem das Beste fordert.
Inzwischen kenne ich seit sechs Jahren Menschen im Hartz IV Bezug und arbeite mit ihnen. Niemals habe ich sie für mich als Schmarotzer, oder faule Menschen abgetan. Viele Menschen im Bezug sind verzweifelt, suchen Wege und Möglichkeiten endlich den Bezug zu verlassen und ihren Kindern Vorbild zu sein. Doch das System kann brechen, kann Menschen mürbe machen, kann sie dahin bringen sich nicht mehr zu glauben, in ihre Fähigkeiten zu vertrauen.

Hilfe zur Selbsthilfe durch Hartz IV

All das kann und tut Hartz IV jeden Tag. Ich habe meine Arbeit immer verstanden als Hilfe zur Selbsthilfe. “Fordern und Fördern” nennt diese Taktik das SGBII, ich denke Vertrauen und Leiten zur Selbsthilfe trifft es besser. Eine Familie wie Frau Papa sie dort oben beschreibt gibt es zu Hundertausenden in Deutschland.
Sie sind verzweifelt, ohne Stimme und ohne Rückhalt in dieser Gesellschaft.
Sie strampeln, tun und machen jeden Tag und ich bin froh, dass es die Möglichkeiten von Hartz IV und Bildung und Teilhabe und Wohngeld und Kinderzuschlag usw. gibt um all diese Menschen zu unterstützen. All diese Möglichkeiten sollen Familien dabei helfen eines Tages wieder selbst auf eigenen Beinen zu stehen, ohne Stigma, ohne Arbeitsvermittlerin die sie jeden Monat anruft, einlädt und an manchen Tagen selbst nur sagen kann “Geben sie die Hoffnung nicht auf, sie sind es wert jeden verdammten Tag an sich und ihre Fähigkeiten zu glauben, ich glaube an sie und werde sie unterstützen.”
Doch funktioniert das uneingeschränkt? Nicht für alle Menschen und Lebenssituationen gibt es die passenden Stellen auf dem Arbeitsmarkt, viel mehr noch müssten Arbeitgeber nicht nur Vereinbarkeit preisen, sondern sie wirklich leben. Viel mehr noch müssten Familien mit Kindern Entlastung erfahren, müsste der Zugang zu Instrumenten, Sport und Bildung kostenfrei sein und bleiben. Jegliche Form von Familie (Alleinerziehend, Familie, Patchwork usw. usf.) sind weiterhin das schwächste Glied der Kette und brauchen daher noch viel mehr Unterstützung. Diese Unterstützung sehe ich im übrigen nicht nur im monetären Bereich, sondern auch in Bezug auf eine starke Stimme dieser Gruppe (Aufruf des DKHW: Wir wollen eine Gesellschaft, der jedes Kind gleich viel wert ist) und eine generelle Veränderung der Gesellschaft den Kindern und ihren Eltern gegenüber.

#STOPKINDERARMUT Petition des deutschen Kinderhilfswerks

Wer im übrigen Kinder und Familie in prekären Lebenssituationen in Bezug auf Kulturleben unterstützen möchte, der kann gern das Projekt KulturLeben e.V. unterstützen.Helfen wir mit diese Stimme zu sein.

Alu

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3 Comments

  • Anonym
    14. Februar 2017 at 20:44

    Hallo. Wir kennen das. Die Firma, bei der wir beide beschäftigt waren, ging insolvent. Uns wurde innerhalb kürzester Zeit die Luft zum Atmen genommen, der Boden unter den Füßen wurde uns weggezogen. Mit Kind. Mein Mann, im mittleren Alter war monatelang ohne Job. Ich war monatelang ohne Job. Heute haben wir beide wieder einen Job, aber ich denke jeden Tag daran – mehrfach – wie schnell alles vergeht. Diese Zeit hat mich sehr ängstlich gemacht. Wir unternehmen mittlerweile sehr wenig. Sind viel zuhause. Nur das Kind darf Hobbies machen. Ich mache Haushalt und kümmere mich um Mann und Kind. Ich bin immer an letzter Stelle. Das ist nicht schlimm. Ich muss für meinen Mann und mein Kind stark sein. Heute sind mir andere Dinge wichtiger: das Lachen meines Kindes. Ausgeruhte Augen meines Mannes. Leerer Schreibtisch, keine offenen Rechnungen, ein Spaziergang um den Kopf freizubekommen. Der jährliche Urlaub an die Nordsee ist mein kleiner Luxus. Aber ich bin dankbar. Sehr sogar. Das ich lebe, das unser Kind gesund ist. Das mein Mann da ist. Es war eine extrem schlimme Zeit und ich möchte es nicht mehr erleben. Aber glaubt mir, ich kenne das alles nur zu gut…..

  • Indre Z.
    14. Februar 2017 at 20:54

    Danke ihr 2 für diesen Ein- und Überblick. Da muss was passieren!

  • Anne Kruggel
    15. Februar 2017 at 19:04

    Wir kennen das seit 2005. Ich habe mehrere Zeitarbeitsfirmen durch und wurde immer entlassen, wenn es um einen Festvertrag ging. 2011 bekam mein Mann dann mitten auf der Arbeit einen Schlaganfall. Er hatte 3 woche vorher über eine Zeitarbeitsfirma angefangen. Die hat ihn natürlich sofort wieder rausgeschmissen und er hat so viele Einschränkungen, dass ihn keiner mehr einstellt. Rente kann er aber auch nicht beantragen, da er laut Gutachten ja immer noch 8 Stunden arbeiten könnte. Nur es will ihn keiner mehr, weil das Risiko zu groß ist.Ich selbst darf seit 2015 nur noch 80 Stunden im Monat arbeiten. Vorher hatte ich bei einer Versandapotheke angefangen und dort waren 10 Stunden Schichten 6 Tage die Woche normal…..gerade mal zu Mindestlohn, mit 30 Minuten Pause und ohne Zeitzuschläge. Ich bekam nach 2 Wochen einen Migräneanfall, der sich nicht mehr löste. Dazu kamen neurologische Ausfälle. Ich landete mit Verdacht auf Schlaganfall im Krankenhaus. War es zum Glück nicht, aber es dauerte 6 Tage und mehrere Cortisoninfusionen, bis ich keine Schmerzen mehr hatte und mein Körper einiger maßen normal wieder funktionierte. Der linke Arm ist seitdem nicht mehr voll einsatzfähig und wenn es sehr stressig ist, laufe ich mit Dauerkopfschmerzen durch die Gegend. Auch die Apotheke hat mich natürlich gleich rausgeschmissen.Ich arbeite heute 60 Stunden im Monat an der Kasse eines großen Supermarktes. Wenn wir mit dem Umbau fertig sind, darf ich auf meine erlaubten 80 Stunden aufstocken. Obwohl ich mehr verdiene wie den Mindestlohn und mein Gehalt pro Jahr sich immer erhöhen wird und ich Urlaubs- und Weihnachtsgeld bekomme, werden wir nie aus HARTZ IV rauskommen. Wir werden immer die Ärmsten der Armen bleiben. LG Anne

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