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Der letzte Tag – ein neuer Anfang #Gastpost “Sandkuchen-Geschichten”

Der letzte Tag

Heute ist der letzte Tag in der Kita. Nach über acht Jahren ist heute das letzte Mal, dass ich eines meiner Kinder dort abhole. Acht Jahre voller Spaß, Kreativität, unzähligen Festen, Theateraufführungen und gemeinsamen Laternenbastelns liegen hinter uns; von einem Glühwürmchen ist der Junge zu einem Dinokind geworden, um die letzten drei Jahre als Delfin einer der Großen in der Kita zu sein.

Ein dicker Kloß macht sich in meinem Hals breit.

Abschied.
„Halt, mein Großer, nicht so schnell. Lass Dich noch mal drücken“, fordert die Erzieherin aus seiner ehemaligen Kindergartengruppe meinen Sohn auf. Sie habe ich immer am meisten geliebt. Tine, die immer den richtigen Draht zu meinem wilden Jungen hatte, die sich nie über das vorlaute Kind beschwert hat, die immer über seine Witze und Sprüche gelacht hat und das mit einer Herzlichkeit, die einem die Seele wärmt.

„Warte mal, Mama. Ich muss noch was erledigen.“

Mit einem Ruck zieht mein Sohn den Aufkleber mit seinem Namen von seinem Haken ab.

„So, jetzt gibt es mich hier nicht mehr.“

Mein Herz stockt einen kleinen Moment, das Gefühl, dass gleich Jahrhundertfluten aus meinen Augen strömen, wird immer stärker und die Tränen zurückzuhalten, immer schwieriger.
So ist das wohl, die Kinder werden größer und es gibt immer mehr Dinge, die man hinter sich lassen muss. Es fängt ja schon mit der Geburt an. Plötzlich ist das Baby nicht mehr im Bauch und die gewohnten Tritte fehlen. Diese tiefe Verbundenheit wir plötzlich und unwiderruflich mit einem Schnitt durch die Nabelschnur getrennt.

Kaum hat man sich an die Pekip-, Babymassage- oder Babyschwimmkurse gewöhnt, wandelt sich das Baby zum Kleinkind und vielleicht kehrt man ja schon wieder zur Arbeit zurück, als wäre nichts gewesen. Das klappt, weil das Kind lieber Fleischwurst und Gummibärchen isst, als Mamas Milch.

So schnell vergeht die Zeit mit Kindern.

Es fühlt sich so an, als hätte sich mein Leben noch nie so schnell geändert wie seit dem Moment, als mir meine Tochter vor beinahe zwölf Jahren auf die Brust gelegt wurde und ich zur Mutter wurde. Ganz ohne Zauberei und doch die mächtigste Magie, die ich mir vorstellen kann.
Seit dem besteht mein Leben nur noch aus Abschieden. Zumindest fühlt es sich so an. Und wenn ich in einem nicht gut bin, dann im Abschied nehmen.
„Weinst Du etwa, Mama?“

„Naja, Du warst jetzt lange hier. Hier stecken viele schöne Erinnerungen. Da darf man ja auch mal traurig sein, oder?

„Ja, aber Du bist eine Mama. Ich sollte traurig sein.“

Vermutlich hat er da recht. Aber irgendwie ist er nicht traurig. Oder er lässt es sich nicht anmerken. Aber für ihn ist Neues auch spannend.

Und wenn ich ehrlich bin, dann ist es das für mich auch.

Die Schwangerschaften waren aufregend. Alles neu aber aus Gründen auch voller Angst.  Und als der dicke Bauch dann endlich weg war, war es eine Erleichterung. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mal darüber freuen würde, dass ich mir selbst die Fußnägel schneiden kann ohne dabei vom Badewannenrand zu fallen. Endlich wieder Mettbrötchen und Rohmilchkäse essen.

Und dann ist da dieses süße Wesen, das man eigentlich nur den ganzen Tag bestaunen  möchte und sich dabei selbst auf die Schulter klopft, dass man so etwas zustande gebracht hat.
Wenn einem ein Baby das erste Mal in die Brustwarze gebissen hat, um die neuen festen Dinger in seinem Mund auszuprobieren oder den Kopf ruckartig zur Tür dreht, ohne dabei die Brust loszulassen, dann wandelt sich die Wehmut über das Abstillen erstaunlich schnell in Erleichterung, dass man auch mal wieder länger alleine weggehen kann.
Will ich wirklich noch mal sämtliche Fachliteratur über große Maschinen im Straßenbau und in der Landwirtschaft zehntausendmal vorlesen? Oder jeden Abend pünktlich um zehn vor sieben das Sandmännchen einschalten und mir vorher die grenzdebilen Moderatoren im Baumhaus antun? Jetzt, wo mein Sohn mir aus den Magisches Baumhaus-Büchern vorliest? Jetzt, wo die Kinder alt genug sind, dass man mit ihnen Kniffel spielen kann und sie die Ergebnisse – aus rein pädagogischen Gründen natürlich – selbst zusammenrechnen lassen kann?


Will ich ernsthaft noch mal zu einem Laternenbastelnachmittag in die Kita?

Nein. Bislang habe ich das Gefühl, dass mein Leben immer nur schöner geworden ist.

Auch wenn der Körper schon lange aufgehört hat zu wachsen, mein Inneres, meine Seele, wächst immer weiter und steht nicht still. Und deshalb darf das Leben um mich herum es auch nicht tun. Und dafür muss ich auch Abschiede in Kauf nehmen.

Auf dem letzten Kindergartenfest kannte ich außer den Erzieherinnen kaum noch jemanden. Was hält mich also dort? Die coolsten, nettesten und lustigsten Eltern verlassen mit uns die Kita. Aber dadurch nicht unser Leben.

Und die ganzen schönen Erinnerungen nehme ich einfach mit und packe sie in mein Herz.
Mein Sohn klebt sein Schild wieder über seinen Haken.

„Ich lass es doch da. Damit jeder weiß, dass es mich mal hier gab. Und jetzt lass uns gehen.“

Diese Geschichte ist für Alu und Konsti. Die bestimmt auch schon viele Abschiede nehmen mussten und mit ihrem neuen Baby jetzt viele schöne Momente vor sich haben. Ich wünsche ihnen als Familie eine wundervolle erste Zeit zum Kennenlernen und ich gratuliere dem neuen Menschlein zu der tollen Familie, die es sich ausgesucht hat.

Ich bin sicher, es hätte keine bessere finden können.

Verena, Sandkuchen-Geschichten-Erzählerin und Matschmonster-Mutter
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Danke für den schönen Text. Abschiede gehören für uns auch zur Routine um so glücklicher sind, dass wir nochmal von vorne beginnen dürfen. Alu

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1 Comment

  • die Sammlerin
    10. September 2016 at 05:50

    Ja Abschiede, als Mutter löse ich mich da immer komplett aus. Im Mai beendete meine Große ihre Schulkarriere, im Juli die Kleine ihre Kindergartenzeit. Und während die Kleine sich sehr schwer tut mit der Schule, packt die Große ihre Kartons und zieht aus. Von jetzt auf gleich, weil sie es kann. Harte Zeiten für stolze Mütter .Sie werden groß.Gruß die Sammlerin

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