Ganz ehrlich: Ich mag keinen Sport. Ich bin einfach kein Mensch für großen Konkurrenzkampf, daher lag mir Sport noch nie so richtig. Als kleines Mädchen wollte ich mal Ballett machen, durfte ich aber nicht. Ich war zu dick! Das DDR Casting ergab dann schwimmen, als schwamm ich. Ich schwamm bis zu meiner ersten Periode drei Mal die Woche und am Wochenende noch Wettkampf, aber so richtig wohl fühlte ich mich damit nicht. Danach hatte ich andere Hobbys.
Allein diese Ballett Ablehnung hängt mir seit meinem fünften Lebensjahr an. Ich fühlte mich wertlos, nicht talentiert für richtigen Sport und als ich dann noch immer als Letzte in die Sportteams gewählt wurde, war irgendwie klar: Das wird nix mit dem Sport und mir. Ich fuhr Fahrrad, weil ich ans Ziel wollte. Ich ging spazieren, weil es meinem Kopf gut tat und ich begann wieder zu schwimmen, weil mein Körper da komplett ausschalten kann und ich mich selten so leicht und gut fühle, wie wenn ich durchs Wasser gleiten darf.

Schwimmhalle (nicht meine)
Auch nach dem Krebs veränderte sich meine grundsätzliche Haltung zum Sport nicht wirklich. Ich mache welchen, aber nicht, weil ich es so toll finde. Ich bewege mich, weil ich mich gesund halten will und weil es eine der wenigen Dinge ist, die man selbst (in Bezug auf eine erneute Erkrankung) beeinflussen kann. Ich gehe also zu Yoga Wochenenden, ich gehe spazieren, ich mache Krafttraining.
Und ich schwimme wieder. Meist zwei Mal die Woche. Meist frühmorgens und fast immer in der Schwimmhalle, in der ich schon seit meinem fünften Lebensjahr trainiert worden bin.

#1 Der Tag beginnt mit einer Runde schwimmen für mich. Ich habe zwar mies geschlafen, aber das macht mich wach! 6:30 Uhr eben.
Heute Morgen war ich wieder dort. Ich tauchte ins Wasser ein und zog meine Bahnen. In Ruhe, aber auch nicht quälend langsam. Normal eben. Auf “meiner” Bahn schwammen allerdings heute nur Männer und während ich einfach nur meinen Kilometer durchs Wasser ziehen wollte, trainierten diese anscheinend für Olympia, oder sowas. Sie überholten eng, traten mich im Wasser und schubsten mich an den Rand. Erst ließ ich es gewähren, dann sprach ich einen der Männer an und wies darauf hin, dass auch ich auf dieser Bahn schwimme. Er ignorierte mich und zog an mir vorbei. Einen weiteren Mann wies ich darauf hin, dass er mich gerade getreten hatte. Er schaute mich an und murmelte etwas unverständliches, bevor er weiter seinen Bahnenkampf durchzog.
In solchen Momenten wünsche ich mir echt manchmal, dass ich in der Lage wäre mal so richtig auszurasten. Ich würde gern rumschreien und diesen rücksichtslosen Schwimmertypen einfach mal die Meinung geigen. Ich würde sie gern an ihren Badehosen festhalten und die Schlüppergummis schnippen lassen. Ich hätte nicht wenig Lust sie an ihren Schwimmbrillen zurückzuziehen. Meine Worte wären klar und deutlich “Rücksichtnahme gilt nicht nur im Straßenverkehr.”
Leider schreie ich äußerst ungern und sowieso will ich mich ja auch eigentlich entspannen. Ich mache das ja auch für mich, für meinen inneren Frieden. Ich atme also ein und ich atme aus. Ich ziehe weiter meine Bahnen, lasse mich überholen und weiß ziemlich genau: Ich mag einfach keinen Sport, genau deswegen! Aber, ich liebe mein Leben nach Krebs mit all der tollen Bewegung darin und das ist viel besser, als weiterhin als Letzte ins Team gewählt zu werden.
Wie ist das bei euch?
Alu
2 Comments
Nadine
5. September 2025 at 08:42Oh, ich fühle es sooo sehr. Ich konnte und kann mit diesem ganzen Leistungsgedanken beim Sport auch nicht viel anfangen und habe daher schon immer eher Individual-Sport gemacht, aber nur mit dem Ziel der Bewegung. Und habe schon immer eine Lanze für diejenigen geschlagen, für die Sport halt kein Hobby ist, sondern die sich immer wieder dafür aufraffen müssen.
Ich für mich habe jetzt einen Yoga-Kurs gefunden, wo es wirklich nur darum geht, sich zu bewegen, jeder auf seinem eigenen Level. Außerdem trainiere ich Kindertanzgruppen. Und für die Kids ist es bestimmt auch ganz gut zu sehen, dass das eben nicht nur die gut trainierte Profitänzerin vorne steht, sondern auch ich mit meinem Übergewicht und man sich dann trotzdem toll bewegen kann ;o)
Merle
5. September 2025 at 10:11Fühle ich alles sehr! Ich habe nach dem Schulsport mühsam für mich entdeckt, dass Sport garnicht so schlecht sein muss, wenn der ganze Wettkampfgedanke weg fällt. Bei mir sind es auch Yoga, Fahrrad fahren und schwimmen, die mir mittlerweile sogar Spaß machen. Und beim Schwimmen immer, jedes Mal, solche Typen im Becken, die meinen ihnen gehört die Bahn, die Welt, keine Ahnung. Letztens musste ich unter einer Begrenzung durch zur Seite tauchen, weil der Typ mich sonst über den Haufen geschwommen hätte. Unglaublich.