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Die Reha – Teil 3 #Brustkrebs #Reha

Es ist Sonntag. Ich sitze im Garten der Klinik und fühle mich unruhig innendrin. Was soll ich heute bloß machen? Es ist erst 9 Uhr morgens, ich bin verstört. Ich krame in meinem Beutel nach meinem Buch und lese extra langsam.

Ein neues Buch habe ich nämlich nicht mehr dabei und die Bibliothek der Rehaklinik ist heute am Feiertag auch nicht zugänglich (der Schlüssel liegt beim Personal). Seite für Seite lese ich mich durch den Roman und klappe irgendwann das Buch zu. Fertig! Ich schaue auf die Uhr. Es ist 10.30 Uhr, also noch früh!

Ich stehe auf, vertrete mir etwas die Beine und gehe dann aufs Zimmer. Ich hab da noch einige Postkarten, die dringend geschrieben werden müssen, also ran an die Bouletten.  Insgesamt vier Karten schreibe, bestickere und beklebe ich. Ich schreibe vom guten Wetter, von alten Damen und Herren und von meinem Wunsch nach einem guten Glas Hugo (alkoholfrei), dann laufe ich runter zur Rezeption und werfe die Postkarten ein.

 

Es ist 11.15 Uhr. Vor 12.30 Uhr gehe ich hier nicht essen, die älteren Damen und Herren vermöbeln einen sonst mit ihren Stöcken am Buffet. Auch jetzt höre ich sie schon herannahen durch die Flure der Klinik *tack, tack, tack*. Also schnell aufs Zimmer und eine kleine Weile Animal Crossing auf der Switch zocken. Ich kenne mich mit Spielen ja überhaupt nicht aus und habe auch keine Ahnung, aber der Sohn spielt das gerne und so treffen wir uns manchmal in dieser virtuellen Welt, seit ich auf Reisen bin. 12.30 Uhr gehe ich zum Mittag, erzähle ein wenig und räume dann ordentlich meinen Teller wieder ab. Zurück auf dem Zimmer wechsle ich meine Schuhe, suche meine Jacke und verlasse zu 13 Uhr die Klinik. Ich laufe immer gerade aus am Strand entlang und bin nach 2 km an der Promenade angekommen. Ich suche einen Geldautomaten, schaue auf die Uhr und stelle fest: Noch zu früh für Kaffee und Kuchen. Ich laufe am Meer hin und her und um 14.30 Uhr traue ich mich dann auch in ein Café und bestelle mein Heißgetränk. Um 15.30 Uhr bin ich zurück an der Klinik und lege mich etwas hin. Ich rufe den Mann an und spreche Worte aus, die ich seit langem nicht mehr ausgesprochen habe, ich sage: “Mir ist langweilig” und er lacht. “Na, das ist doch schön”, sagt er und ich kann heraushören, dass er gerade durch eine Stadt hetzt um einen wichtigen Zug zu erwischen. “Das darf auch mal sein”, sagt er weiter. “Immerhin bist du ja auf Reha und sollst dich erholen. Ich murmle “Ah echt” und lege dann missmutig auf!

MIR IST LANGWEILIG!

Langeweile, das ist ein Gefühl von 2005. Das ist ein Gefühl, von dem ich nicht mal wusste, dass ich es wirklich noch wahrnehmen kann. Ich meine, ich habe Kinder, einen Job, ein Haus und auch noch Hobbys. Seit einem Jahr hab ich Krebs, also Ruhe hat man eigentlich nie. Langeweile ist eigentlich ein Fremdwort für mich.

Ich habe nichts, aber auch wirklich nichts hier zu tun. Ich habe heute kein MUSS, kein SOLL, kein ABER oder AUCH. Ich habe einfach nichts vor und niemand will was von mir. Das ist wirklich ein irres Gefühl.

Ich packe nur für mich allein meine Sachen und gehe zum Strand. Hier liegen die Menschen vor ihren Strandkörben und lösen Rätsel mit Sandgemisch.  Einige Mütter müssen buddeln, vorlesen oder mit ins Wasser. Einige Mütter cremen die Kinder ein, verteilen Obststückchen oder schauen ins Leere. Ich schau mich so um, ganz allein. Ich mache ein paar Fotos, ganz allein. Ich zieh meine Socken aus, ganz allein und dann lass ich mich in den Sand fallen, ganz allein!  Wer hätte das gedacht, Alu kann Langeweile haben, den Tag streiche ich mir dann auch mal echt im Kalender an!

Alu

Ps. Dieser Text ist um 18.45 Uhr entstanden! Bis dahin waren die Stunden für mich wirklich noch hart und fühlten sich an, als ob sie nur langsam vergehen könnten. Jetzt ist es 20.15, ich darf endlich ins Bett und morgen früh erwartet mich dann ein weiterer Feiertag und ein weiterer Tag voller toller Ereignisse (neee, ohne Ereignisse..haha).

Die Reha – Teil 2 #Brustkrebs

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2 Comments

  • 2xMama
    28. Mai 2023 at 21:02

    Langeweile, wie schön…war mein erster Gedanke, ich behaupte ja immer, dass ich mich sooo gerne mal wieder langweilen würde. Aber ich fühle mit Dir! Denn wenn dieser Moment der Langeweile dann da wäre würde ich vermutlich knatschig werden und unruhig, ähnlich, wie wenn man mich zwingt, einen Tag faul am Strand zu liegen. Ich kann das nicht! Hab’s verlernt. Genau wie Ausschlafen oder langsam Essen oder ewig in der Badewanne liegen….
    Lass es Dir trotzdem gut gehen und genieße die Zeit am Meer!

  • Christine
    28. Mai 2023 at 21:19

    Liebe Alu, ich wünsche Dir weiterhin eine gute Zeit und vor allem gute Besserung. Ihr schreibt beide so offen und ungeschönt. Das finde ich klasse. ich lese Euren Blog seit Jahren sehr gerne. Grüße, Christine

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