Kennt ihr das? Man steht am Bahnhof, das Kind winkt fröhlich aus dem Fenster, der kleine Kinder-Rucksack sieht aus, als wolle es auf Weltreise gehen und wir selbst? Wir winken tapfer zurück, während wir uns fragen: Hat das Kind genug Socken dabei? Weiß das Kind noch, wie die Zahnbürste funktioniert? Und was genau passiert, wenn das Taschengeld plötzlich für glitzernde Plastikdrachen draufgeht – am ersten Tag?
Willkommen im Club der Loslassenden! Da sind wir als Eltern ab dem Moment der Geburt alle Mitglieder. Es fühlt sich ein bisschen so an, als würde man einen kleinen Teil des eigenen Herzens im Bus davonfahren sehen, während man selbst noch am Bordstein klebt.
Aber wenn die Kinder ohne Eltern unterwegs sind – das ist etwas Großes. Das kann eine Klassenfahrt sein, ein Ferienlager oder der Wochenendausflug mit der Freundesfamilie. Hauptsache: Die eigenen Eltern bleiben zu Hause. Genau da beginnt das Abenteuer. Für alle Beteiligten.
Für uns stellt sich das nach drei Kindern so dar: Wenn wir unserem Nachwuchs schrittweise mehr Freiraum geben, ermöglichen wir ihnen, eigene Fähigkeiten zu entwickeln und Selbstvertrauen aufzubauen. Besonders wertvoll ist dabei die Entwicklung von Problemlösungsfähigkeiten. Hierbei handelt es sich um Kompetenzen, denen ich als Zukunftsforscherin immer wieder begegne. Bedeutet einfach: Nicht sofort eingreifen, sondern Kinder ermutigen, selbst Lösungswege zu finden. Das beste Beispiel dafür? Nur wer das Klettergerüst selbst hochklettern kann, kann auch wieder herunter. Somit fördern wir kreatives Denken und Langmut bei den Kindern. Obwohl es uns Eltern echt oft schwerfällt, die richtige Balance zwischen Schutz und Freiheit zu finden, ist genau dieser Prozess entscheidend für die Entwicklung unserer Kinder zu unabhängigen Menschen.
Sicher, wir Eltern fragen uns: Ab wann kann ein Kind selbstständig verreisen? Die Antwort: Es kommt drauf an. Jedes Kind ist anders. Manche stehen mit sieben Jahren wild entschlossen am Koffer „Ich brauch keine Kuscheldecke!“ (und packen sie heimlich doch ein), während andere mit zehn lieber noch zu Hause bleiben „Aber wer sagt mir dann, wann ich Zähne putzen soll?“
Ab der Grundschule geht auch ein Kind auf Reisen, wenn es Lust dazu hat. Zwingen? Bringt nix. Das Heimweh kommt sonst gratis dazu, und das ist furchtbar für alle Beteiligten.
Vor der ersten Reise kann man sich aber die Frage stellen, was sollten Kinder wissen und können vor ihrer Reise?
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Sich selbst organisieren: Den eigenen Rucksack wiedererkennen. Vielleicht sogar auspacken (ich packe für die Jüngeren die Sachen in Tagespäckchen)
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Verständnis für Gruppenregeln und deren Bedeutung
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Ist es in der Lage, seine Bedürfnisse zu kommunizieren und bei Problemen Hilfe zu suchen? – Kinder müssen sich so wohlfühlen, dass sie sich trauen, das zu sagen.
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Die eigenen Grenzen kennen: Wo darf ich hin? Wer ist mein Ansprechpartner? Und was mache ich, wenn ich auf einmal merke, dass ich ohne meinen Teddy nicht schlafen kann?
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Und die große Frage des Reise-Geldes, Taschengeld verstehen. Und das ist gar nicht so leicht! Wir haben dazu bereits mal geschrieben, dass wir mit Reisebudgets arbeiten.
Wenn Kinder ohne Eltern losziehen, kommt oft das erste Mal das Thema eigenes Geld verwalten auf den Tisch. Plötzlich sind sie verantwortlich. Und wir hoffen, dass das Kind nicht alles auf einen Schlag für Pokémon-Sticker oder quietschende Gummifrösche ausgibt. Wichtig ist aber auch, es ist ihr Geld. Ihr ganz eigenes und sie dürfen es auf Reisen ausgeben, wofür sie wollen. Wenn sie ihr Taschengeld bereits über ein Kinder-Girokonto verwalten, können die Einnahmen und Ausgaben gut in der Konto-App dargestellt werden. Damit haben wir relativ früh angefangen, auch um den Kindern zu zeigen, wo sich ihr Geld aufhält.
Geld ausgeben und verstehen, das kann man ein bisschen üben: Vor der Reise hilft es, kleine Alltagssituationen zu trainieren:
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Was kostet ein Eis? (Und warum kann ich davon vielleicht nicht gleich drei essen?)
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Muss ich wirklich jeden Tag im Souvenirladen einkaufen? (Spoiler: Nein.)
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Wie viel Geld habe ich noch? (Rechnen ist super. Zur Not auch mit Strichen im Notizbuch.)
Eine klare Ansage der Eltern: „Das ist dein Geld für die ganze Woche!“ Und dann tief durchatmen und loslassen. Denn nur lernen sie das. Meistens schneller als gedacht.
Die Rolle der Eltern während einer Reise
Während der Reise ist es wichtig, die richtige Balance zwischen Erreichbarkeit und Loslassen zu finden. Vereinbare feste Zeiten für Telefonate oder Nachrichten, ohne das Kind mit zu häufigen Kontaktversuchen zu bedrängen. Vertraue den Betreuern und gib deinem Kind die Chance, eigene Erfahrungen zu sammeln.
Sollte dein Kind Heimweh haben, reagiere verständnisvoll, aber bestärkend. Erinnere es an die positiven Aspekte der Reise und ermutige es, durchzuhalten. In den meisten Fällen verfliegt das Heimweh nach kurzer Zeit.
Nutze die Gelegenheit, die gemeinsame Zeit mit deinem Partner oder guten Freunden zu genießen!
Anbei findet ihr unsere Checkliste für die ersten Reisen ohne Eltern
(Erprobt, erlitten und für gut befunden)
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Kleidung – Die Lieblingsklamotten, nicht das süße Ensemble, das wir so gerne an ihnen sehen würden
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Tagespäckchen packen hilft (ich pack immer eins mehr)
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Hygienetasche mit Zahnbürste – Funktioniert am besten, wenn das Kind sie auch findet.
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Notfallkarte – Mit den wichtigsten Telefonnummern und Infos.
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Taschengeld – Ein kleiner festgelegter Betrag, lieber in Münzen. Ein Zwanziger in der Brusttasche? Eher nicht. Für ältere Kinder, sofern bereits vorhanden, sollte ausreichend Geld auf dem Kinderkonto bereitgestellt werden.
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Kuscheltier oder Talisman – Auch wenn sie es „eigentlich gar nicht mehr brauchen“.
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Von Sonnenschutz bis zur Regenjacke – Wetter kann alles.
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Ein kleines Foto von zu Hause (wir haben schon mal ein Bild als Puzzle mitgegeben)
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Eine leere Postkarte und eine Briefmarke, schon beschriftet mit der Adresse, dann freut sich das Kind
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Die Lieblingssüßigkeit des Kindes (am besten zum Teilen)
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Denkt an eine Reisevollmacht, gerade wenn die Großeltern mit den Kindern verreisen. Diese gibt es zum Bsp. herunterzuladen.
Und dann, wenn alles klappt, dann kommen die Kinder zurück. Meistens sind sie gewachsen (mindestens zwei Zentimeter!). Und sie haben plötzlich neue Fähigkeiten: sich selbst Geld einteilen zum Beispiel. Oder auch einfach mal festzustellen, dass sie nicht alles kaufen müssen. Wir lernen als Eltern loszulassen. Jeden Tag ein Stückchen mehr. Und wir freuen uns auf die Geschichten, wenn sie zurückkommen. Von der Klassenfahrt, vom Zeltlager oder von den ersten Pommes allein am Kiosk.
Alles ist möglich,
Alu
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