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Brustkrebs Elternleben

Wie zerborstenes Glas #Brustkrebs

Du bist auf deiner ersten Dienstreise. Gestern hast du mir gesagt, ich könnte dir wieder öfter sagen, dass ich dich liebe. Du hast recht. Ich sage es gerade zu selten derzeit. Denn zwischen der einfachen Liebe des Anfangs und heute ist viel Unbeschwertheit kaputt gegangen.

wie zerborstenes Glas

Wie zerborstenes Glas sammle ich es langsam wieder ein. Gemeinsam mit dir arbeiten wir auf.

Doch du bist zuerst betroffen. Es geht dabei um dich. Danach geht es um mich und um uns. Nur wegtun werden wir es nicht. Wir holen den goldenen Kleber heraus und fügen die Scherben zusammen. So wie die Japaner mit ihren Lieblingsgefäßen. Unser unbeschwertes Liebesleben hat nun goldene Adern bekommen, dies es zusammenhalten, zu etwas Neuem gemacht haben. Dass du wieder arbeiten gehst ist ein kleines Wunder. Gerade singt Grönemeyer im Hintergrund den passenden Soundtrack für uns, jedes Lied sitzt, gerade „Eine Tonne Blei“. Wir finden ständig neue Wege. Mehr denn je schauen wir auf uns, trotz oder gerade, weil wir gemeinsam Verantwortung haben für unsere Kinder, unsere Familie, uns als Liebespaar.

Wie zerbostenes Glas, so fühle ich mich!

Heute hast du mir noch auf den Weg gegeben, dass die Papiertonne Morgen abgeholt wird. Also haben K2 und ich aus den Untiefen des Hauswirtschaftsraums und aus dem Büro alles Papier herausgeholt, dass wir dem Berliner Recylingsystem anheimgeben können. Oha, das Glas steht im Weg, Altglas Entsorgung dauert bei uns immer, denn da kommt niemand vorbei, wir müssen es zu einem Container karren. Ein Schokocremeglas XXL findet seinen Weg in Richtung Fliesenboden. Diesmal retten mich meine Torwartreflexe nicht. Ich verfluche mich, meine Trotteligkeit, meine Fahrigkeit all das.

Nur Schuld daran bin eindeutig ich.

Es musste wieder schnell gehen. Ein freier Abend stand in Aussicht. Als ich die letzten Scherben auffegen will steht ein Kasten mit Getränken im Weg. Ich nehme den Staubsauger, sauge Glasstücke ein. Doch zuvor nehme ich Flaschen aus dem Kasten, damit nichts umfällt. Dann stelle ich den Staubsauer ab. Stoße beim Rückwärtsgehen neben den Vakuumapparat und zwei Limo Flaschen kippen um. Sie zerbersten, es sprudelt und es riecht nach süßer Himbeere. Welcher Idiot füllt Brause in Glasflaschen frage ich mich. So nun ist es so weit. Ich entscheide mich ein Glas mit Wein zu füllen. Dann hole ich die Bluetooth Box mache Phillip Poisel an und beginne zu putzen. Das sollte in 30 Minuten durch sein, dann bringe ich die Kinder ins Bett.

wie zerborstenes Glas

Während ich immer wieder vorsichtig den Wischlappen aufnehme, die spitzen braunen Schmelzelemente herausschüttele und Phillip in mein Ohr singt: „Wie soll ein Mensch das Ertragen“ denke ich an dich und an mich.

Manchmal fragst du, wie es mir geht und dass ich Hilfe suchen soll. Lange habe ich den Alltag alles überspülen lassen. Mein Gott war mir eine Hilfe. Manche Freunde, die wirklich wissen wollten, wie es mir geht. Während ich kurz aufs Handy schaue, sehe ich Bilder von einer Bekannten, die das nächste Jahr mit ihrem Krebs nicht erleben wird. Mir wird warm, ich bin so dankbar für dich und unser Glück bisher – Eine valide Verlängerungschance. Ein Schluck aus dem Glas und der traurige Poisel. Tja, mein Schatz, wie geht es mir? Ich sehe auf den Boden mit der rosa Lake und den braunen Scherben. Nun habe ich erstmals ein passendes Bild. Ich fühle mich wie zerborstenes Glas. Es wird dauern. Auch ich bin weniger belastbar. Doch ich möchte es zusammenfügen, für dich für uns auf ein Neues. Wer weiß schon, was uns das Leben bringt. Bange machen gilt nicht auch nicht in der Zeit der Nachwirkungen so sind wir beide nicht aufgestellt. Herbi würde nun „Die Härte“ anstimmen (tut er aber gerade noch nicht). Wir machen weiter, auch weil wir sind. Aus Scherben entsteht etwas immer – Ich liebe dich! Manchmal braucht es zerborstenes Glas, um das zu entdecken.

Dein Konsti

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1 Comment

  • Nadine
    3. November 2023 at 08:26

    Gibt es evtl. eine Selbsthilfegruppe für Krebsangehörige in deiner Nähe?
    Denn auch deine Sorgen, Ängste, Belastungen verdienen Gehör und Beachtung. Und manchmal ist der Krebspatient da wirklich nicht der richtige Adressat dafür…

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