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Seine Sicht

Gretchen fragen… Über Religion und Kinder

Liebes Gretchen,
seit Goethes Faust ist das Fragen nach
“des Pudels Kern” nach dir benannt.
Diese Frage möchte ich als Aufhänger nehmen,  um mich der berühmten Frage von dir an
Heinrich Faust: „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion? Du bist ein
herzlich guter Mann, allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.“
persönlich zu widmen.
Immer wieder stellen meine Kinder mir
Fragen zum Glauben und zur Religion. Neulich erst K2, kurz vor dem Abmarsch in
die Kita, K2: “Papa sorgt der liebe Gott dafür, dass wir nach dem Tod
weiterleben?” Meine Antwort war: „Ja. So glaube ich es.“ Das hat ihm für
den Moment ausgereicht.
Frei nach Michaelangelo. Frei. Bild von Pixabay

Doch wie ist es eigentlich mit der
Werteerziehung mit religiösem Hintergrund bei anderen Eltern und wie bei mir?

Eine Spurensuche:
Wir sind eine Berliner Mischung, meine
Frau ist ohne Konfession und wir leben gut damit. Ihre moralische (früher hätte
man gesagt: sittliche Prägung) ist meiner sehr nah. 
Nur: dass ich eben jeden
Sonntag in eine katholische Berliner Randgemeinde ging (und dort sozialisiert
wurde) und am Ende auch noch Theologie studierte. 
Meine Tradition ist mir
wichtig. doch wie bringt man diese im Familienalltag unter, wenn es keine
selbstverständliche Gemeinsamkeit gibt?
Allein schon, dass die Kinder getauft
wurden, K1 zum katholischen Religionsunterricht in der Gemeinde geht und wir
katholisch heirateten ist eindeutig ein Geschenk von Alu an mich.

Und Ich?

Und ich? Scheitere jedes Mal daran, meine
Kinder in meine Glaubenswahrheiten und -Gefühle einzuführen. Mal trauere ich
darum, dass die religiös “klassisch erziehende Mutter ” es nicht tut (wie auch,
ist sie ja nicht) und dann denke ich wieder: Passt meine Religion und meine
Erfahrung zu den Welten meiner Kinder?

Darauf ein beherztes: Jain. Denn, Religion
verändert sich. Doch sie ist nicht weg. Meine intensive Glaubenserfahrung kann
ich nicht weitergeben, das könnte niemand. Die Frucht muss nämlich, biblisch
gedacht, aufgehen. Wenn ich in meine Familie schaue, wo alle meine Cousins und
Cousinen religiös geprägt wurden, kann ich festhalten: Fifty/ fifty. Einer ist
Priester, ein anderer hasst die Kirche.
Nun war ja Goethe damals schon so weit. Er
ließ nicht nach Konfession fragen! Doch reicht eine irgendwie gespürte Religiosität
ohne Vollzug aus, um glücklich damit zu werden? 
Ich denke: Nein.
Doch was wir brauchen, das sind neue Formen von Kirche, neue Arten
von Gemeinschaft. Denn eine Kirche die mit den Menschen durch die Zeit geht,
ändert sich. Leider ist das bisher nicht angekommen. Wie denn auch, wer drinsteckt
ist zumeist hochgradig in die Sache „Da muss alles so bleiben“ verliebt.
Und die Kinder? Die suchen nach Hoffnung,
die wollen Lösungen, die nicht allein rational sind. Für die ist ein Gott
durchaus vorstellbar und glaubhaft.
Ich denke Rationalität bringt  einen nicht allein ans Ziel. 
Da ich glaube,
wer sucht der sollte finden, bin ich (wie man merkt und es ist auch romantisch)
nicht von der Idee einer institutionellen, monotheistischen Religion
abzubringen.
Ich hoffe mit einer zeitgemäß eingeübten
Frömmigkeit geben wir den Kindern etwas Lebensweisheit mit. Ein Schatz, aus dem
wir meist unbewusst schöpfen können. Wir bekamen es doch noch irgendwoher mit (die Eltern,
Großeltern)?!
Es wäre ein Fehler unseren Kindern nicht etwas christliches (jüdisches,
oder muslimisches) anzubieten, was ihnen helfen kann den inneren Kompass
auszurichten. Für mich ist das die Religion. Mit all ihren Stärken. (den guten,
wie auch schlechten Traditionen) So kann man sich auch stark machen in einer pluralen,
undurchschaubaren, kapitalorientierten Welt.
Am kommenden Sonntag wollen wir zu einer Altarweihe fahren. Ich
hoffe darauf, dass ein so freudiges Großereignis auch den Kindern zeigt, welche
Kraft Kirche ausstrahlen kann.
Ich bin katholisch, ich will es bleiben
und meinen Kindern zeigen.
Und Ihr? Ihr Fausts?
Wie haltet ihr es mit dem Glauben, der Religion, der Kirche?
Hochachtungsvoll
K.

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9 Comments

  • Tina vom Tulpentopf
    14. Juli 2015 at 06:26

    Glauben und glauben lassen.
    Ich selbst glaube nicht an Gott. Ich habe ein arges Problem mit dem Vaterunser, weil es mir völlig abgeht, warum ich jemandem die Führung überlassen soll und nach seinem Willen leben soll, wenn ich selbst einen habe.
    Dennoch habe ich meine Kinder taufen lassen. Die Zeremonie als Begrüßung auf dieser Welt ist schön. Und die Möglichkeit, an etwas glauben zu können, wenn man gerade nicht an sich selbst glauben kann. Meine Tochter (8) glaubt an Jesus. Das ist nicht mein Verdienst, sondern resultiert aus dem, was sie im Schulunterricht, im Fernsehen und von der evangelisch geprägten Oma erklärt bekommen hat. Manchmal muss ich ihren überbordenden Gerechtigkeitssinn dämpfen, wenn es darum geht, dass ihre Christen verfolgt wurden und ihr erklären, dass die Institutionen fast jeder Glaubensrichtung den Anhängern anderer Glaubensrichtungen Böses angetan haben. Sie versteht nicht, warum. Für sie gibt es keinen Grund, jemandem weh zu tun, nur weil er an einen anderen Gott glaubt.
    Da habe ich wohl mein "glauben und glauben lassen" erfolgreich weitergegeben.

  • Micha
    14. Juli 2015 at 08:22

    Ein sehr interessanter Denkanstoss! Dazu hätte ich auch einiges zu sagen, mal sehen vielleicht folgt da noch was zu :-), LG, Micha

  • Nieselpriem
    15. Juli 2015 at 09:43

    Ich mag das, wie Du schreibst, Du großes K! Sehr. Und ich wünschte, ich hätte vor dreißig, vierzig Jahren jemanden gehabt, der mir die Möglichkeit, das Angebot einer religiösen Unterstützung gegeben hätte! Ich beneide jeden, der Trost und Kraft daraus schöpfen kann und das ist es, was für mich Religion wirklich ausmacht: Trostspenden. Parallel dazu sind die als "christlich" bekannten Werte wie Mitgefühl, Barmherzigkeit etc. eigentlich humanitäre Werte, deren Unabdingbarkeit gerade in der heutigen Zeit nicht oft genug betont werden kann. Meine ich. Glauben würde ich es auch gern 🙂 Du verstehst schon…
    Sonnige Grüße, auch an Deine wunderbare Alu-Frau, Rike

  • Tafjora - einmal Frankreich und zurück
    15. Juli 2015 at 22:29

    Deine Gedanken dazu finde ich großartig und für mich absolut stimmig. Ein bisschen so wie bei uns würde ich sagen. Komme aus einem katholischen Elternhaus, der Sonntagsgottesdienst war Programm. Ich bewunderte den tiefen und echten Glauben meiner Eltern und Großeltern. Sie glaubten wirklich was sie uns erzählten. Doch ich war der kleine Rebell und haderte schon als Kind mit der Frage, warum lässt Gott soviel Leid zu. Warum sagt der Papst ich darf nicht verhüten? Ich sagte immer, ich glaube nicht an die Katholischen Kirche sondern an Gott.
    Mein Mann ist evangelisch und er hat mir zuliebe kirchlich geheiratet. Meine Kinder sind katholisch getauft aber nicht weil ich "überzeugt" katholisch bin sondern weil ich möchte, dass da ein Grundstock gelegt wird und sie selbst darüber eines Tages entscheiden müssen. Bei vielen Glaubensfragen meines großen Sohnes bin ich einfach nur sehr froh, dass ich eine frische gebackene Religionslehrerin in der Familie habe, die letzte Woche ihre Missio bekommen hat.
    Ich wünsche mir für meine Jungs, dass sie vielleicht eines Tages auch ihren festen Glauben haben an einen Gott, der ihnen Kraft und Stärke gibt. Egal welche Konfession.
    Herzliche Grüße und danke für Deine Gedanken!
    Tanja

  • muell
    16. Juli 2015 at 07:46

    Liebe Tina,
    danke für deinen Kommentar.
    Ja so geht es auch. Mir ist wichtig, das Moral und innerer Kompass ein Fundament haben. Christentum bietet sich dabei an, doch das muss schon längst nicht mehr aus einer Kirche kommen. Es kann aber sein, dass man (Kind) irgendwann ein System sucht. Dann schlage ich vor zuerst bei den althergebrachten zu beginnen. Die haben bereits viele Fragen beantwortet.

    Ich lasse dich gerne glauben!

    Dein Konstantin

  • muell
    16. Juli 2015 at 07:46

    Ich bin gespannt.

    dein
    K

  • muell
    16. Juli 2015 at 07:50

    Liebe Rike,
    von Herzen Danke für dein Lob und die Grüße.
    Ja ich hatte Glück. Im Glauben erzogen, darin gewachsen, ihn angenommen und weiter geglaubt.
    Doch natürlich all das nicht ohne Zweifel, Scheitern und Fragen! Die Wärme des Glaubens (ob geschenkt oder antrainiert) ist echt spannend.
    Dabei denke ich jedoch, jeder Mensch glaubt und man sollte sich das einfach einmal vor Augen führen.
    An die eigenen Kinder glauben ist dabei ein grandioser Anfang!

    Dein
    Konsti

  • muell
    16. Juli 2015 at 07:57

    Hallo Tanja,
    mir geht es so wie dir zu allererst darum, das der Glauben nicht verloren gehen sollte. Und ich befürchte wir sind als Mitteleuropäer längst soweit. Fragen und Kritik sind wichtig. Sie sind aber auch jedes Mal ein Grund für Abwägungen. Mir bringt das in der Kirche bleiben viel mehr als ein Außerhalb.
    Der freie Mensch entscheidet. Doch dabei sollt jedes Menschenkind sich dessen bewusst sein, dass genau solche Entscheidungen vielschichtig und nicht billig zu haben sind.
    Über den Papstbesuch meckern, dagegen theologisch argumentieren und mit der (allgemeinen) Moral,
    dann aber bekennen man sei Atheist, passt nicht zusammen.
    Gut wenn es noch Glaubenshelfer gibt, die den Menschen zuerst sehen und Wege öffnen.
    Doch auch die werden aufgrund des mangelnden Interesses an Religion seit Jahren weniger.
    Wer glaubt in 30 Jahren und steht noch dazu – Egal in welcher Konfession?

  • Landfamilie
    16. Juli 2015 at 08:11

    Der Papa in unserer Familie ist evangelisch, wir anderen sind "nichts". D.h., weder wurde ich getauft, noch konnten wir uns bislang entschließen, unsere 2 Kinder zu taufen. Wir haben sie stattdessen in einer urbanen freien Gemeinde "einsegnen" lassen. Da wird ein Segen gesprochen, es gibt evtl. Paten, kleine Geschenke und Urkunden. Das kam uns unverbindlicher vor als die Taufe. Obwohl (oder gerade weil?) wir christlich glauben, wollen wir uns selten auf irgendetwas allzu Greifbares festlegen.
    Auf dem Land, zumindest hier im Süden, hat der Gottesdienst aber eine viel weitreichendere Bedeutung als ich das bislang kannte. Natürlich besuchen längst nicht alle hier im Dorf einen der Gottesdienste. Aber wenn, dann taucht man ein in den Mikrokosmos, der aus den altbekannten Gesichtern besteht. Man sieht Nachbarn, man sieht die Eltern der miteinander befreundeten Kinder, die Geschwister und Großeltern anderer Kinder. Man könnte auch aufs Dorffest gehen. Oder an einem beliebigen Tag durchs Dorf laufen. Jeder steht an seinem Platz und wird so auch im Gottesdienst wahrgenommen. Für uns ist das noch neu. Aber ich glaube, unsere Tochter (5) liebt diese Verbindlichkeit.

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