Grossekoepfe.de | Ein Elternblog mit Ihrer und Seiner Sicht aus Berlin!
Beliebt Brustkrebs

Worte die verletzen können #Brustkrebs

Ich habe dieses Wochenende allein verbracht. Bereits zum zweiten Mal bin ich zu einem „Yoga Retreat“ gefahren, allein die Begrifflichkeit lässt mich grinsen. Niemals hätte ich, vor dem Krebs, darüber nachgedacht sowas überhaupt in Erwägung zu ziehen. Ich habe geschmunzelt über Frauen, die zu solchen Veranstaltungen fuhren und gleichzeitig immer etwas neidisch geguckt. „Na, die müssen ja Zeit haben“ oder so ähnlich.

Im letzten Jahr ergab sich dann plötzlich diese Möglichkeit und ich buchte mir online diesen Termin und saß da in einer Gruppe fremder Frauen und turnte auf Matten zu leiser Musik. Obwohl ich, steif wie ein Brett, mit meinem dicken Po kaum in „den Drachen“ oder „den Fisch“ kam, so fühlte ich mich doch glücklicher, zufriedener danach und buchte in diesem Frühjahr erneut, wieder allein.

Obwohl ich wusste, dass ich mit Muskelkater und Dehnungsschmerzen nach Hause fahren würde, freute ich mich darauf. Man wird seltsam, mit den Jahren. Man wird seltsam nach Krebs.

Ein Wochenende allein

Am Abend geht man an diesen Wochenenden in der Gruppe essen. Ich behaupte immer von mir, dass ich eine gute Zuhörerin bin, interessiert und neugierig stelle ich viele Fragen und merke mir Fakten und Gesichtsausdrücke meines Gegenübers. Und dann saß ich da dieses Wochenende im Restaurant mit 16 anderen turnenden Frauen und zwei Sitze neben mir ging es um das Thema Krebs.

Es ging darum, dass mancher Krebs ja schlimmer sei als anderer. Es ging darum, dass eine der Turnerinnen eine Psychoonkologin war.

Sie lauschte ihrem Gegenüber, fragte nach, erkundigte sich und bekam die volle Breitseite. Die Erzählerin hatte keine persönliche Erfahrung mit Krebs, aber man hätte doch die Statistiken im Kopf und überhaupt: Brustkrebs, das sei ja quasi gar nichts. Die Fachfrau verneinte. Krebs ist Krebs, es ist ein Trauma. Es ist die Endlichkeit und der Anfang. Es gibt kein Ranking, kein schlimmer oder besser. Es gibt den Krebs, der sich besser versteckt ja, aber der Ablauf ist immer ähnlich. Ihre Arbeit sei vor allem Arbeit mit Frauen, Frauen, die an diesen Brüchen nicht selten zerbrechen und die Zeit brauchen, um den Krebs und vielleicht noch Familie zusammenzubekommen.

Der See ist heute wunderschön. Es geht eine Runde raus...

Der See ist heute wunderschön. Es geht eine Runde raus…

Ich blieb stumm und kämpfte mit meinen Tränen. Ich war im Gespräch mit dieser netten jungen Frau, die ADHS hat und deren Ziel es ist mit Yoga zur Ruhe zu kommen.

Ihre langen Haare warf sie sich immer mal wieder elegant über die Schulter und ich musste an Schneeweißchen und Rosenrot denken, weil sie so märchenhaft aussah. Ich wollte mich konzentrieren, weil ich das doch so mag. Ich hörte zu und versuchte wirklich das Gespräch nebenan zu ignorieren, aber es ging schlecht und ich war sehr froh, dass irgendwann das Thema gewechselt wurde und es wieder nur um Yoga und die tollsten Matten ging. Am Abend lag ich noch länger wach. Krebs, überall Krebs, dachte ich und gleichzeitig ist das eben so. Wenn man den Kreis einmal betreten hat, dann gibt es eben keine Außensicht mehr. Chance vertan.

Am Morgen danach war unsere letzte Yogastunde und auf der Toilette traf ich die Psychoonkologin. Wir hatten bis dato keine Worte gewechselt, aber ich traute mich und sprach sie an. Ich dankte ihr für ihre Arbeit, dafür, dass es Menschen wie sie gibt. Ich sagte ihr, dass es für mich als Krebsbetroffene wichtig und schön sei und bedankte mich für ihre Worte und ihre Weitsicht. Ich konnte nicht anders, es war mir ein Anliegen. Ich hatte Angst, dass mir gleich die Tränen kämen, aber ich blieb klar und tränenfrei.

Ich denke oft darüber nach, dass man als Mensch mit dieser Grenzerfahrung so viele Kommentare und schräge Gedanken Fremder ertragen muss und viel zu oft stumm bleibt. Wie oft habe ich schon gehört „Mein Onkel ist AUCH an Krebs gestorben“ und das AUCH klingt immer groß in diesen Sätzen und ich frage mich dann: Muss ich AUCH daran sterben? Oder eben Sätze wie „Zum Glück war es nur Brustkrebs“ und ich frage mich dann: Welches Glück? Habe ich also das Lotterielos gezogen mit Krebs?

All das geht mir so oft durch den Kopf und ehrlich, wir brauchen genau diese Menschen, die uns zuhören, die uns sehen und die wissen: Jede Krebserkrankung ist wie ein tiefer Riss, der niemals ganz zugeht, ist wie eine Narbe, die sich jederzeit entzünden kann. Sie ist Angst und Furcht und Hoffnung in einem. Sie ist Trauma und Wahnsinn. Sie bringt einen dazu Yoga-Wochenenden zu buchen und plötzlich anders über Gesundheitsprogramme nachzudenken.

Sie macht einen groß und ganz klein. Weil man nicht anders kann. Weil man jeden Tag leben will. Jeden einzelnen schönen Tag.

Alu

Ich bin ein Fels und doch kein Fels #Brustkrebs

You Might Also Like...

2 Comments

  • amberlight
    21. März 2025 at 07:52

    Sehr berührt schon beim Lesen – die Leichtigkeit des Yoga Retreats war wahrscheinlich dahin, oder?

    Ich gehe nun wieder nach erzwungener gesundheitlicher Auszeit einmal pro Woche auf die Matte und schaffe es im Alltag ansonsten leider nicht. Meine Yogaformen haben nichts elegantes und ich überlege schon lange, ob ich mir auch mal eine solche Auszeit gönne oder ob ich da nicht reinpasse – es macht mir Mut, dass du dich darauf eingelassen hast. Meine Nähwochenenden erfüllen mich immer sehr – vielleicht sollte ich mich beim Yogathema auch mal trauen ….

  • Der F.
    26. März 2025 at 00:11

    Da ich inzwischen selbst Krebsbetroffener bin und zudem auch beruflich mit Krebserkrankten zu tun habe, möchte ich den Aussagen „Krebs ist Krebs“ und es gibt „kein schlimmer oder besser“ widersprechen.

    Natürlich ist eine Aussage wie Brustkrebs sei „quasi nichts“ falsch und den Betroffenen gegenüber respektlos falsch.
    Dennoch gibt es Krebsarten, die heute ganz gut behandelbar sind (z.B. Plattenepithelkarzinome) und andere, die auch bei der heutigen Medizin noch fast zwangsläufig einen unangenehmen Tod bedeuten (z.B. Pleuramesotheliome). Da gibt es schon erhebliche Unterschiede was Überlebenschancen, körperliche Einschränkungen, Intensität der notwendigen Behandlung, Schmerzen und Verlust an Lebensqualität betrifft und ich finde, dass man diese Erkrankungen nicht alle in einen Topf werfen kann.

    Ich selbst hatte ein Seminom, also einen schnell wachsenden aber gut behandelbaren Keimzelltumor in meinem linken Hoden, diagnostiziert und operiert Mitte 2024. Glücklicherweise habe ich damals nicht gezögert, als ich eine Verhärtung an meinem Hoden getastet habe, sondern bin sofort zu einer kompetenten Urologin gegangen. Diese hat mir geholfen schnell einen OP-Termin in der nahegelegenen Uniklinik zu bekommen. Dadurch konnte der Tumor noch im Frühstadium entfernt werden und mir blieben Chemo und Bestrahlung (bisher) erspart. Tatsächlich war ich schon zwei Wochen nach der OP wieder arbeitsfähig und zurück im Büro.

    Natürlich ist es damit noch nicht ausgestanden. Ich muss weiterhin zu Nachuntersuchungen gehen (Blutentnahmen und CT oder MRT-Untersuchungen) um festzustellen, ob der Krebs nicht doch irgendwohin metastasiert hat oder die Tumormarker im Blut hochschießen. Und mein linker Hoden ist jetzt nun einmal weg.
    Trotzdem möchte ich sagen, dass ich wahnsinniges Glück hatte, bisher so unbeschadet aus der Sache rauszukommen. Ich fühle mich nicht schwer traumatisiert.

    Ein Kumpel von mir sagte mal neulich im Scherz, dass ich „das Krebsgame im Easy-Mode durchgezockt“ hätte. Ich liebe schwarzen Humor und habe ihm das nicht übelgenommen, sondern musste mitlachen.

    Am Ende hier noch ein wichtiger Appell an alle Männer:
    Hodenkrebs trifft oft und vor allem jüngere Männer, meist irgendwann zwischen ihren 20ern bis 40ern. Er ist gut behandelbar, wenn er schnell entdeckt wird, aber er wächst rapide (Dopplungsrate beim Seminom etwa 10-30 Tage), wenn man nichts unternimmt. Wenn Ihr also an Eurem Hoden irgendwas fühlt was dort nicht hingehört, dann wartet nicht, sondern lasst es sofort (!) abklären. Es kann Euch viel Leid ersparen und sogar das Leben retten.

Leave a Reply