Heute trug ich dein Halstuch. Ein grelles Rosa um meinen Hals. Konsti hatte es mir aus deiner Wohnung mitgebracht und ich denke dir hätte es gefallen, dass ich es nun so gerne trage. In der Abenddämmerung beschützt es mich auf den Berliner Straßen, wenn ich mit dem Rad zu meinen Liebsten fahre.
Strahlend und sichtbar ist das Tuch, so wie du warst. Ein Seidentuch, leuchtend und leicht durchsichtig, zwei kleine Löcher im Tuch wurden gleich mal mitvererbt. Als zart habe ich dich allerdings nie wahrgenommen, nicht dass du das von mir denken würdest. Handfest, laut und sehr direkt, das sind die Bilder, die ich von dir im Kopf habe. Eine Frau, wie ein Baum. Eine Frau mit Grips. Eine Frau die reden und zuhören konnte. Deine Offenheit und dein Interesse für andere Menschen, die habe ich sofort gemerkt, als wir uns kennenlernten und ich mit meinen Fingern über dein Buchregal streichen durfte.
Du bist eine seiner guten Freundinnen, das sagte mein Mann oft über dich und er schickte Postkarten oder wir alle Fotos der Kinder. Du schicktest Postkarten zurück oder Bücher für meine Lesesucht.
Heute trug ich dein Halstuch und der Wind wollte es mir fast entziehen. Ich bremste an der Straßenecke ab und blieb stehen. Mit beiden Händen fing ich die fliegenden Seiten des Seidentuchs ein. Ein Mann mit einem Kind an der Hand beobachtete die Szene und lächelte mir zu. Es war, als wäre der Herbstwind dort gerade persönlich vorbeigekommen. Als hätte er uns zugenickt.
Mit zwei kleinen Knoten befestigte ich das grelle Rosa erneut am Hals und radelte weiter. Diese Geschichte, ich hätte sie dir berichtet und sie hätte dir gefallen. Dein zartes Tuch auf dem Weg mit dem Wind. Ich hätte sie dir erzählt, bei einem Tee in unserer Küche oder bei einem Besuch in deinem warmen Daheim. Nun hat der Herbstwind sie mitgenommen, so wie dich und dein Lachen.
Du fehlst.
Alu
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