„Heute feiern wir“, erklären wir dem kleinen Kind. „Ja, was denn?“, fragt die Jüngste und ich erzähle ihr, dass heute vor 75. Jahren das Grundgesetz geboren wurde. Es ist also so alt wie ihr Opa und nicht weniger bedeutend, erzähle ich ihr. Erst will sie wissen was das Grundgesetz und diese ganzen Aussagen sind und nachdem wir ihr vorgelesen haben, welche wichtigen Grundsätze darin stehen und das sogar noch mehr für Kinderrechte fehlen, ist sie begeistert.
Vor allem Artikel 3. (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt ff…gefällt ihr gut.
„So jung sind all diese Regeln noch?“, fragt sie und wir versuchen ihr zu zeigen, wie wichtig unsere Demokratie und die Regeln für unser aller Zusammenleben sind. „Was war denn vorher? Mehr Streit und Gabeln?“, möchte sie wissen. Diese Frage ist nicht unberechtigt, aber wir antworten ihr, dass es Regeln natürlich schon länger gab, aber nicht so. Nicht niedergeschrieben und umfassend für uns alle, für unsere jetzige Gesellschaft.
Nun gut, wir feiern also. Aber wie? Wie vermittelt man Demokratie?
Wir packen das Kind und laufen zu einer kleinen Menschenkette. Einer Menschenkette aus irgendwann 120 Personen, die sich am Abend dieses bedeutenden Tages treffen und für Demokratie und Vielfalt zusammenstehen. „Aufregend“, sagt das Kind. „Ist das wie ne Demo?“, will es wissen. „Muss man für sowas bezahlen?“, löchert es mich! Irgendjemand hat Schilder dabei, das Kind sucht sich eines aus.
Ein bisschen ist es wie eine Demo, wie wir da stehen mit vielen anderen Menschen und bunten Pappschildern. Ein bisschen ist es wie eine kleine Party, wenn wir zusammen für Demokratie singen und Seifenblasen durch die Luft wirbeln. Ein bisschen ist es wie ein Familientreffen mit nahen Verwandten, wenn wir da Hand in Hand stehen (mit dem Kind in der Mitte) und man sich gehalten fühlt. Ein bisschen ist es wie ein langer Spaziergang, wenn man sich darüber austauscht wie wichtig es ist unsere Demokratie gegen rechte Kräfte zu beschützen. Ein bisschen ist es wie eine exklusive Einladung, wenn wir mit dem Kind danach nach Hause bummeln und es uns sagt „So hab ich mir das vorgestellt, so eine Feier. Kommt davon was im Fernsehen?“ und wir grinsend schlendern.
Zum Ende des Tages gab es dann noch ein Eis für das tapfere Demokind und jede Menge Gesprächsstoff zum gemeinsamen Nachdenken und Mitfiebern.
Zum Lesen fürs Kind haben wir übrigens folgende Lektüre auf den Nachttisch gelegt: „Ich bin ein Kind und ich habe Rechte“ von Alain Serres aus dem Nord Süd Verlag. Das Buch zeigt den Kindern 54 Rechte und orientiert sich an den UNO Kinderrechten von 1989. Schön und informativ! Und jetzt stoßen wir noch allein an, auf 75 Jahre Grundgesetz und eine gelungene Geburtstagsparty!
Alu
Tag des Grundgesetzes – 75 Jahre deutsche Verfassung
Fast hätte ich das Jubiläum verpasst. Zum einen gibt es einfach zu viele Fest- und Erinnerungstage, da fallen diese im Alltag schon einmal hinten unter. Zum anderen gehöre ich zu den Menschen der Kategorie „Zeitung“ obwohl oder gerade, weil ich quer durch viele Medien lese, bekomme ich „klassische“ Gesellschaftsthemen erst am Folgetag mit und damit zu spät, um etwas zu tun.
Doch heute am Tag des Grundgesetzes, ein wichtiger Teil unserer Gesellschaftsordnung, mit dem ich viel verbinde und dem ich viel zutraue, war es gut es nicht verpasst zu haben. Alu hatte mitbekommen, dass bei uns im Ortsteil eine Aktion von Bürgern und der Evangelischen Kirchengemeinde organisiert wurde. Bei bestem Wetter und zum Glockenläuten um 18 Uhr trafen über ein hundert Menschen am „Dorfanger“ zusammen. Es war ein Zeichen der Verbundenheit, des Zusammenstehens auf den Grundlagen einer offenen demokratischen dialogfähigen Gesellschaft.
Dieses Erlebnis haben wir mit unserer jüngsten Tochter geteilt (die beiden anderen sind auswärtig). Am Mittagstisch sprach Alu das Thema an. Und wir kamen ins Gespräch über Freiheit, Rechte und Demokratie. Dabei war es erstaunlich welche Fragen unsere Zweitklässlerin hatte und ebenso, wie wir es gut erklären konnten. Vermutlich sind Grundrechte etwas einleuchtend Einfaches – genial banal. Umso spannender warum es immer wieder so schwer fällt diese Auszuhalten bzw. kreativ umzusetzen und wohl auch weiterzudenken.
Schließlich waren wir drei unterwegs. Wir haben uns anstecken lassen von den anderen und die sich von uns. Mit Liedern aus der Demokratiegeschichte, einer Menschenkette und spontanen Demonstration konnten wir unverhofft ein breites Spektrum von Bürgerrechten und -pflichten vermitteln. Sicherlich werden wir auch die kommende Europawahl geeignet zu Thema machen.
Mir als Menschen, der in der DDR geboren wurde, ist der Wert einer gut laufenden Demokratie sehr bewusst. Zu viele Geschichten in meinem direkten Umfeld erzählen vom Gegenteil. Außerdem erinnere ich mich an die Neugierde meiner Eltern an der Demokratie und der Bereitschaft zu Beginn Verantwortung zu übernehmen. Ja wir alle kennen auch Frust darüber, bspw. die teilweise absurde Bürokratie. Dennoch ist es uns allen wichtig. Herzlichen Glückwunsch liebe Mitmenschen – Ihr habt ein Grundgesetz! Viel mehr Grundlage kann ein Staat seinen Bürgern nicht bieten.
Euer Konsti
1 Comment
PaulineM
24. Mai 2024 at 12:34Toll, dass eure Tochter das miterleben konnte. Vielleicht könnt ihr ihr erzählen, dass wir im fernen Karlsruhe auch für das Grundgesetz eine Menschenkette gebildet haben. Wir haben das Bundesverfassungsgericht mit 1000 Menschen umarmt und geschützt, hatten Poster mit unserem liebsten Grundgesetzartikel dabei und haben anschließend auf dem Schlossplatz ein Geburtstagslied fürs Grundgesetz gesungen. Rolf Zuckowski: Wie schön, dass du geboren bist. Am Ende haben wir alle mit Sekt oder anderen Getränken auf das Grundgesetz-Geburtstagskind angestoßen.