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Elternleben

Ich bleibe lieber noch Zaungast

Am Abend sitze ich auf dem Sofa “Ich wollte doch noch…irgendwas war doch noch…” und ich denke nach und nach und vergesse am Ende doch wieder etwas wichtiges.Diese Momente, sie kommen bei mir derzeit häufiger vor. Ich vergesse Termine (wie den letzten Elternabend des einen Kindes) oder verwechsele Daten (wie beim Zahnarzttermin, bei dem ich vor verschlossener Tür stand). Eigentlich kenne ich das gar nicht von mir, aber derzeit kommt das wirklich sehr häufig vor.

Innendrin bin ich vielleicht noch nicht bereit.

Bereit für die Rückkehr eines vollen Alltags mit drei Kindern, wie er sich vor dem großen C eingeschlichen hatte. Jeden Tag hatten wir mit den Kindern Termine, wichtige Dates und Verbindlichkeiten und dann plötzlich PUFF war alles weg. Keine Verabredungen mehr, keine Elternabende, keine Arzttermine mehr. Alles war irgendwie entspannt, alles war entschleunigt und auch wenn wir uns auf die Nerven gingen, so fühlte es sich gar nicht so schlecht an, dieses “ruhige Familienfahrwasser”.

Mit den fallenden Inzidenzen kamen aber auch hier plötzlich die Verpflichtungen aller Familienmitglieder zurück. Es mussten nun doch der HNO-Termin, der Augenarzttermin, der Zahnarzttermin und der Hautarzttermin für die Kinder erledigt werden und ich bekam Stress. Erneut wieder so viele reguläre und auch Nachholtermine für uns alle zu koordinieren, das ist Arbeit und wirft uns auf einen Alltag zurück den ich nicht vermisst hatte.

Bis zu den Sommerferien schleppten wir uns mit den Kindern von Woche zu Woche, von Termin zu Termin. Statt Luft holen fühlte es sich nach Atemsuche an und ich hechelte mich von Wochenende zu Wochenende in der letzten Zeit.

Inzwischen ist die erste Ferienwoche der Kinder rum. Aufgrund der Pandemie steht bei uns keine große Reise an, wir bleiben in der Umgebung. Die Kinder sind nicht geimpft, Delta ist auf Reisen. Die Großeltern nehmen uns ab und zu mal die Kinder ab, jedoch bleiben uns bis zum Ende der Sommerferien nur zwei Tage als Alleinpaar. Konsti verabredet sich ab und zu wieder am Abend und ich winke an der Haustür und fühle mich etwas bedröpelt.

“Ich denke ich bin noch etwas überfordert von so viel Freiheit”,

sage ich zum Liebsten wenn er nach Hause kommt. Er streichelt meine Wange und fragt mich wann und mit wem ich eigentlich mal ausgehen möchte? Ich weiß es einfach nicht, ich zucke mit den Schultern und gehe ins Bett.  So wie ich auf die Frage

“Wie geht es dir nach diesen drei Wellen der Pandemie”

auch nur mit

“Ich weiß es irgendwie nicht so genau”

antworten kann.

Ich spüre noch kein Verlangen nach Shoppingcentern, nach vollen Restaurants und Kinosälen. Ich habe noch keine Lust auf Konzerte, volle Biergärten und das Anstehen mit einer Reihe Fremder. Ich meide weiterhin den ÖPNV, setze mich für Luftfilter in den Schulen ein und umarme Niemanden. Ich trappe FFP2 und wasche mir die Hände nach jedem Termin.

“Für mich ist auch immer noch ein bisschen Corona”, nennt der Sohn das.

Ein bisschen fühlt es sich für mich gerade an, als wäre ich lieber noch der Zaungast, als mittendrin. Ein bisschen fühlt es sich für mich gerade an, als wäre es einfach okay noch so für sich zu sein. Ein bisschen fühlt es sich für mich gerade an, als ob dieser neue Alltag nicht wieder der alte Alltag sein soll- vielleicht nie wieder – und das ist für mich inzwischen die größte Erkenntnis dieser Pandemie und all dem was unserer Familie in den letzten 1,5 Jahren widerfahren ist.

Wie geht es euch? Seid ihr schon mittendrin oder noch Zaungast?

Alu

Interesant dazu auch Stadtlandmama

und Frau Mutter.

Ich bleibe noch Zaungast inmitten von Corona

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3 Comments

  • Sandra Bergmann
    3. Juli 2021 at 23:48

    Definitiv bin ich auch lieber noch Zaungast. Der ganze Text spricht mir sehr aus dem Herzen.

  • Almut
    4. Juli 2021 at 11:01

    Hier auch Fraktion Zaungast. Das braucht noch ein bisschen, bis es sich für mich wieder normal anfühlen kann, anderen Menschen nahe zu sein.

  • wheelymum
    5. Juli 2021 at 09:26

    Hier ist auch alles noch ziemlich ruhig. Aber ich denke ich bin mittlerweile wieder mehr als Zaungast. Die Bahnfahrt nach Berlin und der Präsenztermin vor Ort waren für mich ein großer Schritt. Aber ich trage überall Maske, egal ob man muss oder nicht. Ich beäuge das alles noch skeptisch und bin froh, dass Kindergarten und Schule wieder laufen, aber auch gleichzeitig. dass es keine großen Freizeitaktivitäten in Gruppen gibt. Ich glaube, es ist für mich wie für euch – zurück ja, aber ein anderes als vorher.

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