Vor dem Café räumen drei Männer einen Container ein. 7 Kubikmeter steht draußen dran. Es poltert als die Männer aus dem Lieferwagen heraus Zeug in den Container werfen. Ich fühle mich gestört in meiner kurzen Mittagspause und versuche angestrengt wegzuschauen.
Mehr und mehr werfen die drei Männer in den Container. Ein Schlitten, ein großer Monitor, ein Kinder-Spiderman-Kostüm und einen Mixer werfen sie achtlos hinein und springen in den Container um die Dinge zu zerkleinern. Ich frage mich wer denn all diese guten Dinge einfach wegwirft, nachhaltig ist das nicht und es beginnt mich zu ärgern.
Es kommen zwei Frauen vorbei die nach dem Schlitten fragen. Er sieht noch gut aus und sie dürfen den Schlitten und einen Flensburger Liegestuhl mitnehmen und freuen sich. „Wieso wirft jemand so nen guten Schlitten weg?“ fragt die eine Frau und der tretende Mann im Container antwortet trocken „Es war ein junger Mann, der ist plötzlich gestorben. Das war alles noch in seinem Keller“ und wendet sich dann wieder dem Zertreten der Kartons und Dinge zu.
Ich stocke. Plötzlich ist es mir peinlich, dass ich mich über den Lärm beschweren wollte.
Das ist kein wertloser Müll, kein Dreck den die Männer dort entsorgen, es ist ein Leben. Ein plötzlich beendetes Leben. Ich sehe nun die Kinderkostüme und den Schlitten mit anderen Augen und ich muss an einen Familienvater denken, einen Mann der mit seiner Familie einen Mixer und ein Waffeleisen gekauft hat. Einen Mann dessen Monitor einem Kinderstuhl weichen musste. Ich sehe Kinder die Spiderman-Kostümen entwachsen sind, ihre Erinnerungen an ein gemeinsames Faschingsfest mit dem Vater sind ihnen geblieben. Ich sehe eine Frau und Mutter die mit den gemeinsamen Kindern die Wohnung nach dem Tod nur noch wechseln will und versucht abzuschließen. Sie will nichts behalten was sich noch im Keller befindet, sie hat keine Kraft für Kabel, Pappkartons und gebrauchte Malerkleidung.
Als die beiden Frauen gegangen sind fragt der eine Containermann den Anderen „War das okay, er hätte sich gefreut, oder? Du kanntest ihn doch“ und der Kollege nickt stumm. Als der Container vollgepackt ist bleiben sie noch einen Moment stehen und besprechen sich leise, dann steigen sie in den Lieferwagen und fahren davon.
Ich betrachte den Container gefüllt mit 7 Kubikmeter Müll. Kleingetreten und zusammengepresst bereit zum Abtransport steht dort ein Leben und eine Geschichte vor mir. Ein ganzes Leben in 7 Kubikmeter.
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Alu
6 Comments
Ramona
4. Oktober 2017 at 09:31Ein sehr berührender kleiner leiser Text, der mich nachdenklich stimmt. Danke!
Katharina Lorber
5. Oktober 2017 at 00:02Ich habe aus so einem Container über 100 Jahre altes Porzellan und das Selbstporträt der Frau der es gehörte gerettet. Wir nutzen das Geschirr viel und das Bild hängt über meinem Schreibtisch. War damals fassungslos, dass die Familie soviel wegwarf. Lotte lebt bei uns ein wenig weiter.
Jane
5. Oktober 2017 at 07:34Sehr bewegend!
Aber tatsächlich auch Bestandteil meines täglichen Arbeitslebens. Wir machen ja nicht nur Umzüge, sondern auch genau solche Entsorgungen. Die Lebensgeschichten dahinter sind oftmals nicht schön, oft einfach tragisch.
Liebe Grüße,
Jane
Beate
5. Oktober 2017 at 15:09Das ist wirklich traurig ? Aber man weiß nie, in welcher Situation grad diejenigen sind, die die Entscheidung treffen..
Die Freitagslieblinge am 6. Oktober 2017 - Herbstedition
6. Oktober 2017 at 22:36[…] Der dritte Oktober ist für mich seit 20 Jahren nicht nur der Tag der deutschen Einheit, sondern auch der Geburtstag meiner besten Freundin. Ich habe mich also auf einen Roller geschwungen und bin an diesem Abend zu ihr gedüst und wir haben dort zusammengesessen. Was für ein schöner Abend und dabei ist alles so schnell vergänglich. […]
2017 – in Euren Worten – juna im netz
20. Dezember 2017 at 10:34[…] Sehr beeindruckt hat mich auch diese Beobachtung von Alu: […]