Heute erscheint das neue Buch “New Moms for Rebel Girls” von Susanne Mierau, die ihr sicherlich auch von ihrem Blog geborgen-wachsen kennt.
Das Buch reiht sich ein in eine ganze Reihe von ihren Erziehungsratgebern rund um eine geborgene, gleichberechtigte und lebenswerte Welt und ist gleichzeitig doch ganz anders. Man muss für den neuen Ratgeber aus dem Beltz Verlag nicht die anderen Bücher von Susanne gelesen haben (kann man aber natürlich, vor allem Mutter.Sein), denn das Buch knüpft an viele Formen der Selbstreflektion aus den anderen Büchern vorher an und steht daher für mich auch für eine Weiterentwicklung von ihr selbst und ihren bisher erschienenen Büchern.
“New Moms for Rebel Girls”, was soll das sein?
Beim Lesen erfasst mich als Leserin eine Art Aktionismus. Wahrscheinlich liegt das an der sehr guten Mischung zwischen Wissenschaft, persönlicher Note und klaren Impulsen.
Fragestellungen wie: Was ist eigentlich das Patriarchat oder Wieso leben wir in dieser Frauen feindlichen Welt? werden im Buch klar erläutert und dargestellt. Keine Stelle im Buch ist dabei bevormundend oder unsensibel. Während ich das Buch lese, bin ich mit meiner großen Tochter allein ein paar Tage in Quarantäne. Sie ist gerade dabei eine junge Frau zu werden und ich lese ihr vor:
” Aber welche Gesetze gibt es eigentlich, die Frauen und Mädchen vor Sexismus und Diskriminierung schützen sollen? In Artikel 3 des Grundgesetzes gibt es den Gleichbehandlungsansatz: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.” (S. 75 ff)
und wir kommen darüber ins Gespräch. Wir reden darüber wie Mädchen anders im Sportunterricht behandelt werden, wie immer noch in der Schule davon ausgegangen wird, dass die Mädchen den Raum ordentlich halten oder für den Snack zum Wandertag sorgen.
Ich lese weiter und das Buch macht etwas mit mir. Ich habe das Bedürfnis mit meiner Tochter noch viel mehr über all das zu sprechen, was so offensichtlich ist und seit Jahren dazu beiträgt, dass ich mich als Frau und Mutter immer mehr radikalisiere. Während ich mit Anfang 20 noch brav den Mund gehalten habe wenn mir jemand was von “so ist das eben als Frau” erzählt hat, so werde ich inzwischen laut und deutlich. Ich spreche darüber, wie undivers unsere Gesellschaft ist und das es für mich als Zukunftsforscherin eine Aufgabe ist, eine lebenswerte und diverse Zukunft (mehrere Zukünfte) für alle durch das Erkennen von Selbstwirksamkeit aufzubauen.
Das Buch spricht also meine Wurzeln an. Es fasst einige Thesen und Themen zusammen, packt mich wieder am Kern meines Mutterseins im Kosmos dieser stereotypen Erziehungswelten. Der Ratgeber aus dem Beltz Verlag ist wie eine Art Hilfestellung oder ein klarer Impulsgeber für Gesprächsführungen oder Workshops. Mit der Tochter nutze ich Kapitel vier (ab S. 219ff ) besonders um immer wieder ins Gespräch zu gehen. Hier werden klare Hinweise und Ideen zu verschiedenen Lebensabschnitten gegeben. Von der Kleinkindzeit bis zum Social-Media-Nutzungsalter werden Themen wie Hass im Netz, Körperlichkeit und Diversität nochmal klar aufgegriffen und irgendwie hoffe ich, dass es Kapitel vier sogar nochmal ausgeklammert und aufgearbeitet für Schulen und Kindergärten als Material geben wird.
Das Buch hat Susanne in der ersten Pandemiewelle geschrieben und es erscheint zum richtigen Zeitpunkt. Denn nach zwei Jahren sind wir Eltern müde, desillusioniert und einfach nur wahnsinnig enttäuscht.
Rollenbilder haben sich wieder manifestiert, die Gewalt gegenüber Frauen und Kindern hat zugenommen (siehe Berichte des deutschen Kinderhilfswerk)im Bildungssektor wird gekürzt und in Europa flüchten Frauen und Kinder über Landesgrenzen. Beim Wiederentdecken der eigenen Wut und beim Sammeln der positiven Kräfte für bessere Zukünfte zu kämpfen kann dieses Buch wunderbar unterstützen und aufrütteln.
Ich bin jedenfalls wieder wach und freue mich auf die kommende Lesung am Sonntag. (Hier gibt es noch Tickets).
Alu
4 Comments
Nadine
9. März 2022 at 09:12Das Buch liegt hier auch auf dem To-Read-Stapel.
Ich glaube aber auch, viel wichtiger als die Diskussion mit unseren Töchtern ist die Diskussion mit unseren Söhnen. Unsere Söhne müssen dazu erzogen werden, auf Ungerechtigkeiten zu achten und gegebenenfalls Platz zu machen für die Rebel Girls. Ich bin unheimlich dankbar für alle lauten Frauen der Vergangheit und Gegenwart, die anprangern und sich für Gleichberechtigung einsetzen. Aber so langsam wird es Zeit, dass nicht-betroffene Personen zu Allys werden. Und da können wir bei der Erziehung unserer Söhne anfangen :o)
Flo
11. März 2022 at 10:57@ Nadine; Das halte ich für einen falschen Ansatz. Der Ansatz impliziert nämlich, dass Mädchen nur dann stark sein könnten, wenn Jungs auf sie Rücksicht nehmen. Das halte ich nicht nur für falsch, sondern sogar für im Kern antifeministisch.
Mit den “Rebel Girls” wäre es nicht weit her, wenn sie darauf angewiesen wären, dass die Jungs ihnen Platz machen.
Ich habe eine Tochter und einen Sohn. Beide erziehe ich dazu sich ihre Plätze im Leben zu erkämpfen, egal ob andere nun als “Allys” oder als Gegner daherkommen.
Nadine
14. März 2022 at 14:11@Flo Nur leben wir in einer patriarchalischen Gesellschaft, d.h. Mädchen und Frauen müssen sich mehr anstrengen und mehr kämpfen als Jungs, was ich als nicht gerecht empfinde. Damit sich aber wirklich irgendwann ein Gleichgewicht einstellt, müssen sich Männer ihrer gesellschaftlichen Macht bewußt sein und sich ebenfalls für ein Aufbrechen der Strukturen einsetzen…
Flo
16. März 2022 at 13:25@ Nadine: Das mag bezogen auf die jetzige Situation vielleicht stimmen, aber eben nicht für die Zukunft. Bereits jetzt ist der weibliche Anteil der Hochschulabsolventen höher, als der männliche. Der Satz “the future is female” stimmt, was für mich so weit auch kein Problem ist.
Aber: Wenn mein Sohn einmal das Alter hat in das Berufsleben einzusteigen, wird er in weitaus größerem Maße mit Frauen in Machtpositionen zu tun haben, als dies heute der Fall ist. Wenn ich ihm beibringe vor Frauen erstmal “Platz zu machen” oder zurückzustecken, wird er in der Welt der Zukunft, die weiterhin eine kapitalistische sein wird, ob uns das nun gefällt oder nicht, untergebuttert. Er soll nicht vor seiner Chefin buckeln, bloß weil diese eine Frau ist und die Wahrscheinlichkeit, dass er einmal eine Chefin und keinen Chef haben wird ist durchaus hoch.
Außerdem gilt das was man in der linken Bewegung früher noch wusste: “Und weil der Prolet ein Prolet ist/ Drum kann ihn auch kein Anderer befrei’n/ Es kann die Befreiung der Arbeiter nur/ Das Werk der Arbeiter sein”.
Das war damals auf den proletarischen Arbeiter gemünzt, aber ist genauso auf Frauen anwendbar. Die Befreiung der Frauen wird durch die Frauen erkämpft, nicht durch Umerziehung der Söhne.
Daher werde ich meinen BEIDEN Kindern (wie gesagt, Tochter und Sohn) gleichermaßen beibringen vor niemandem (gleich welchen Geschlechtes) zu ducken.