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Wochenende in Bildern

Tagebuchbloggen am 5. März 2023 – #WMDEDGT

Es ist Sonntag. Irgendwie spüre ich das derzeit nicht so richtig, dieses Wochenendgefühl. Wenn man länger krank daheim ist, dann stellt sich vielleicht irgendwann so eine Verwirrung ein, was die Wochentage angeht.

Ich bin heute früh wach. Gestern Abend ist mein Mann doch noch spontan über Nacht nach Hause gekommen, seine Konferenz geht allerdings heute weiter. Er fährt sehr früh wieder zurück. Ich stehe mit ihm auf und gehe unter die Dusche. Da ich, seit meiner beidseitigen Mastektomie im Dezember Kompressionsstrümpfe und einen Kompressions-BH tragen darf, dauert das Auspacken und Einpacken nach der Dusche immer etwas und ähnelt sicherlich einer Slapstick Einlage. Ich hüpfe und humpel mit meinen Bekleidungsstücken durch das Bad und versuche meine Beine und meine Silikonbälle in die verschiedenen Dinge zu quetschen. Sehr lustig. Nach meiner Dusche gehe ich eine Runde spazieren. Ich habe mir meine morgendliche Runde vor dem Frühstück angewöhnt, ich genieße oftmals das Auftauchen der Sonne und die Begegnungen mit den Hundebesitzern. Ich hätte ja auch gern einen Hund (ich denke es gibt sogar eine Korrelation zwischen Menschen mit Krebs und Menschen mit Hunden) und übe mich also schon im frühen Ausgang. Nach meiner Rückkehr gibt es Frühstück mit Freunden, die zum Glück Brötchen mitbringen und nach dem Frühstück die Jüngste zum Spieldate mitnehmen. Das ist gut, denn ich darf derzeit kein Auto fahren (wegen der Krebsmedikamente) und habe ja auch kein Auto hier, damit ist der Mann zu seiner Konferenz gefahren. Also fügt sich das alles wunderbar. Nach dem Frühstück diskutiere ich mit den anderen Kindern darüber wer nun den Tisch abräumt und die Spülmaschine einräumt. Irgendwie fühlt sich da keiner zuständig, essen wollen aber immer alle und frisches Geschirr finden auch alle gut. Ich bin sehr genervt und gehe lesen. Derzeit lese ich Sally Rooney „Normal People“ und obwohl das Buch gut ist, nicke ich irgendwann ein.

Ich komme etwas zum Lesen.

Ich komme etwas zum Lesen (hier auf dem Sofa gestern)

Ich denke es liegt auch daran, dass ich außer dem Schlafzimmer keinen Rückzugsort habe. Im Wohnzimmer sind immer irgendwelche Kinder und unser Schlafzimmer verfügt über keinen Sessel. Ich lese also im Bett und na ja, Schwupps fallen mir die Augen zu. Ich erwache von einem telefonierenden Teenager und der Frage nach Mittagessen. Ob es dafür frisches Geschirr gibt, das weiß ich noch nicht, als ich in der Küche ankomme. Ich werfe das Küchengerät an und koche Milchreis. Insgesamt acht Portionen sollen das werden, Spoiler: Es wird am Ende nicht für alle Menschen reichen. Da der Sohn seit gestern Abend Übernachtungsbesuch hat, habe ich schon extra mehr als üblich angesetzt, aber diese siebenköpfigen Raupen, die essen einfach viel. Zum Milchreis verwende ich die letzte Kuhmilch im Haushalt. Bis morgen jemand einkaufen geht, wird es dann eben nur noch Reis-Milch oder Mandel-Milch geben, ich sehe schon die begeisterten Kinderaugen vor mir. Während der Milchreis kocht, setze ich meine Kopfhörer auf. Ich höre gerade beim Spazieren gehen oft Podcast. Derzeit „Ein Mensch verschwindet“, aber für gute Laune sorgt das eher nicht. Also werfe ich mir die „Super Bowl Playlist 2022“ an und tanze vor meinem Bücherregal ein bisschen auf und ab. Ich liebe es meine Bücher zu sortieren, eine eindeutige Buchhändlerinnen Krankheit. Als mir jemand auf die Schulter tippt erschrecke ich etwas. Es ist der Mann, der am frühen Nachmittag von seiner Konferenz zurück ist und sich über Milchreis und dreckiges Geschirr freut. Wir essen mit drei Kindern, sprechen etwas und setzen und dann als die Rechner um offene Rechnungen und lustige Briefe der Krankenkasse zu beantworten. Ehrlich, Bürokratie als krebskranker Mensch, das ist der Horror!

Ich koche vegane Schokocreme als Geschenk.

Ich koche vegane Schokocreme als Geschenk.

Das ist, glaube ich, auch oft Schikane.  Zwischendurch muss ich mich bewegen und stelle noch vegane Schoko-Haselnuss-Creme für unsere Freunde her. Sie hat ihnen heute Morgen gut geschmeckt, also möchte ich ihnen ein Glas als Dankeschön für den heutigen Tag zukommen lassen. Der Mann fährt dann den Kumpel vom Sohn zur Bahn und sammelt die Jüngste wieder ein. Als wir wieder alle daheim sind wartet noch der aufregende Bio-Müll auf uns. Wir leeren die Katzentoiletten und bringen die Mülltonne zum Straßenrand. Jetzt spielt der Mann nebenan Gitarre, die Jüngste schaut total verschnupft Tablett, die große Tochter ruht sich in ihrem Zimmer von ihrer Erkältung aus und der Sohn hat bis eben noch seine Hausaufgaben gemacht. Der Trockner piept im Hintergrund und irgendwer hat gerade eben „Hunger“ gerufen. Ich glaube ich werfe dann gleich mal Nudeln in einen Topf und zaubere noch eine schnelle Tomatensauce mit dem Küchengerät. Ich darf das leider alles nicht essen, wegen meiner Medikamente, aber wenigstens die Kinder können sich ja freuen. Danach fall ich dann mit meinem Buch ins Bett.

Alu

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1 Comment

  • Xdniana
    6. März 2023 at 05:21

    Hab ich gern gelesen, wenn auch mit diesem Gefühl: eigentlich bräuchtest du vielleicht Ruhe. Der Alltag fordert aber trotzdem seinen Tribut. VDen Krankenkassenhorror kann ich mir lebhaft vostellen.

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