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Zwei Jahre Scheiße am Schuh, zwei Jahre nach der Diagnose #Brustkrebs

Heute vor zwei Jahren erhielt ich meine Diagnose. Dieser Anruf. Dieser elendige Anruf, bei dem ich im Auto saß und die Frau sagte „Sie haben Brustkrebs. Bitte kommen sie am Freitag direkt ins Brustzentrum, ihr Termin ist um 8.30 Uhr.“ Ich saß da in diesem Auto und drückte die Hand meines Mannes und ich nickte ihm zu. Wir standen an der Ampel und bogen nach Hause ab. Ich konnte nicht sprechen, ich hatte meine Sprache verloren. Ich sagte „Okay“ und legte dann auf. Zu Hause brach ich zusammen. Ich rief meine Schwester an, sie kam und hielt meine Hand. Ich weinte und weinte und konnte nur dasitzen und denken „Scheiße! Ich habe Scheiße am Schuh.“

Nach der Diagnose

Nach der Diagnose

In den letzten zwei Jahren habe ich aufgehört zu weinen. Ich weine nur noch selten, wenn ich an den Krebs denke. Viel mehr bin ich sauer auf diese kack Krankheit. Was sie den Menschen nimmt, die ich so gerne habe und was sie mir genommen hat. Ich habe meine Unschuld, meine unbändige Freude an diese Krankheit verloren. Ich stehe auf der anderen Seite eines Flusses und kann nie wieder zurück auf diese Seite der Unbeschwertheit ohne Krebs und das ist hart und an manchen Tagen schwer zu ertragen.

Ein Jahr nach der Diagnose

Ein Jahr nach der Diagnose

Aber, ich verschenke keine Tränen mehr an den Mist. Denn, ich habe schon so viel geschafft. Der Krebs ist weg. Dank Chemotherapie, Bestrahlung und einer Mastektomie wurde er fortgejagt. All das passierte im ersten Jahr und ich konnte danach ganz leise den Satz „Ich hatte Krebs“, aussprechen und üben ihn lauter und lauter zu sagen:

Ich hatte Krebs. Ich hatte Krebs. Ich hatte Krebs.

Im zweiten Jahr begann ich meine ambulante Tablettenchemo (einfach gesagt) mit Abemaciclib und meine zehnjährige Antihormontherapie. Auch davon liegt nun schon ein Jahr hinter mir und ich schaue mit Stolz auf all das, was ich schon hinter mich gebracht habe. Mein Körper schafft jeden Tag diese riesige Dosis an Tabletten und seit der Operation im April, sogar noch einen kompletten Heilungsprozess von großen Narben an drei Stellen über 30 cm am Oberkörper. Ich war im zweiten Jahr ein paar Monate arbeiten. Ich war bei einem Brustkrebsfotoshooting mit großartigen Frauen. Ich habe mir ein Tattoo stechen lassen.  Ich war mit den Kindern in Amsterdam. Ich habe weiter geübt zu sagen „Ich hatte Krebs“, aber manchmal macht mir mein Hirn einen Strich durch das alles und dann habe ich Angst und weiß nicht, ob ich das wirklich so sagen darf.

Zwei Jahre nach der Diagnose

Zwei Jahre nach der Diagnose

Das zweite Jahr nach der Diagnose zeigt mir meine verletzliche Seite

Das zweite Jahr nach der Diagnose hat mir meine verletzliche, meine seichte Seite gezeigt. Ich habe die Krankheit und mich mehr reflektiert, meinen Eltern häufiger gesagt wie sehr ich sie liebe und häufiger das Wort „Achtsamkeit“ benutzt als in all den Jahren bevor. Ich habe entdeckt, dass ich Wassergymnastik toll finde (mache ich jetzt seit einem Jahr 2-mal die Woche) und es mag Gartenvögel zu beobachten. Ich habe angefangen jede Woche Postkarten an liebe Menschen zu schicken und ich gehe gern frühstücken. Ich gehe jeden Tag viele Schritte und kann mich schon wieder über Pölsterchen auf meinen Hüften ärgern. Ich habe endlich einen guten koffeinfreien Kaffee entdeckt und ich höre immer noch so gern Podcasts wie im ersten Jahr.

Und auch wenn ich inzwischen weiß, dass es nie wieder wie vorher sein wird, so weiß ich doch zwei Jahre nach meiner Diagnose Brustkrebs: Die Scheiße am Schuh begleitet mich, aber ich spüre sie nicht mehr jeden Tag. Ich lasse es nicht zu jeden Tag an diesen mistigen Krebs zu denken.

Mein zweites Jahr nach Diagnose ist mein persönliches Einkehrjahr. Ich muss heilen, innendrin und ich muss neben dem Satz „Ich hatte Krebs“ auch noch üben zu sagen „und das hat mich wachsen lassen.“

Alu

Ein Jahr Scheiße am Schuh, ein Jahr nach der Diagnose #Brustkrebs

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2 Comments

  • Ein Jahr nach der Diagnose
    7. Juni 2024 at 22:48

    […] Ich stehe nun auf der anderen Seite. Einer Seite von Menschen mit und nach einer Krebserkrankung. Angst, Schmerz, Verbundenheit und tiefe Demut sind auf meiner Seite des Lebens dazugekommen. Ich kann mich an manchen Tagen gar nicht mehr daran erinnern, dass es noch eine andere Seite gegeben haben soll. […]

  • Das Wochenende in Bildern 8/9. Juni 2024 - ihre, seine und EURE Sicht
    9. Juni 2024 at 21:26

    […] Übrigens: Heute ist der Tag meiner Brustkrebsdiagnose von vor zwei Jahren. Wie es uns derzeit mit allem geht habe ich euch in einem Blogtext mal aufgeschrieben. […]

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