Frauentag – mehr als rote Nelken
Im Blumenladen um die Ecke gibt es rote Nelken. Ich mag diese Blumen nicht. Sie sehen fisselig aus und irgendwie etwas abgestraft. In meiner Kindheit habe ich viele rote Nelken gesehen.Zum ersten Mai flogen sie durch die Luft, während mein Vater mich auf seinen Schultern trug. Zur 750- Jahr- Feier in Berlin bekam ich eine eigene geschenkt. Ich zupfte ihr einzeln die Blätter aus. Nun werden diese roten Nelken, oder rote Rosen, an der Straße als „Frauenkampftagsblumen“ verkauft.
Abgesehen davon, dass eigentlich Freesien, oder Tulpen, Frauentags Blumen (laut der DDR Geschichte) wären, finde ich Blumen zum Frauentag doof.
Kein Gemüse für die Mutti – danke
Ich möchte keine Blumen an einem Tag geschenkt bekommen, an dem das Geld für Frauenprojekte zur Stärkung gleicher Rechte und Mädchen und Frauen besser aufgehoben wäre. Ich fände es viel besser, wenn Männer die Care-Arbeit jeden Tag mit übernehmen würden, statt an diesem Tag den Frauen einen „freien Tag“ zu widmen. Ich weiß, das sind Gesten, aber diese reichen mir längst nicht mehr! Meine Bekannten aus den Karnevalsburgen verstehen den Frauentag sowieso nicht „Ist das nicht unser Feiertag von letzter Woche?“, fragten sie mich neulich am Telefon.
Meiner Meinung nach könnte man auch endlich mal den Muttertag abschaffen. Zur Tradition des Tages will ich gar nichts schreiben, aber dazu wie sehr dieser Tag für Konsum und noch mehr Konsum genutzt wird. Niemand braucht noch mehr Parfüm oder eklige Pralinen. Gleiche Rechte, gleiches Geld und Selbstbestimmung wären viel angemessener und überhaupt: Ich brauche eher die Forderungen des #Muttertagswunsch als noch mehr vergängliches Gemüse.
Warum feiern wir eigentlich Frauentag?
Gestern fragte mich dann auch die große Tochter, warum wir in Berlin nun zum Frauentag am 8. März eigentlich einen Feiertag bekommen haben. Erst wog ich den Kopf hin und her und dann antwortete ich:
„Weil an diesem Tag die Frauen international für ihre Rechte kämpfen und ich das gut finde. In vielen Ländern der Erde legen die Frauen an diesem Tag ihre Arbeit nieder und finden sich zusammen für einen Marsch durch die Städte um zu zeigen „Hier sind wir. Beachtet uns. Wir sind mehr als 50 % der Gesellschaft.”
Berlin beteiligt sich mit diesem Feiertag. Es ist eine Geste! Besser fände ich es, als deine Mama, allerdings: Wenn alle gemeinsam an einem internationalen Feiertag für Familienrechte und Kinderrechte kämpfen würden.
Ich stelle mir vor, wie Tierparks, Zoo und Indoorspielplätze an diesem Tag alles kostenfrei anbieten.
Ich stelle mir vor, das Theater, Kinos, Museen und Parks extra kostenfreie Veranstaltungen anbieten, den ganzen Tag lang.
Ich stelle mir vor, wie Kinder die Straßen bevölkern und ein Tag lang kein Auto durch die Innenstadt darf, damit alle Räume bespielbar sind.
Ich stelle mir vor, wie Kinder und Eltern gemeinsam an diesem Tag zeigen, wie viele Familien es gibt und wie bunt diese sein können.
Ich stelle mir vor, wie Hilfsorganisationen noch viel mehr Gelder bekommen, um Familien zu fördern und ihnen bessere Lebensbedingungen ermöglichen können.
Ich stelle mir vor: Familien bestehend aus Frauen, Männern, Enbys, Omas, Opas und allen Anderen.
Ich stelle mir vor, alle hätten eine Stimme. Manifestiert durch einen Tag und gleiche Rechte und nicht nur durch eine Geste.
Ich radikalisiere mich und schreibe mir Feministin auf die Visitenkarte
Die Tochter ist gedanklich schon ganz woanders. Sie steht noch am Anfang der Frauwerdung und ballt noch keine Fäuste in ihren Taschen, wenn sie wieder lesen muss, dass Mütter immer noch Rabenmütter sind, wenn ihre Kinder die Krippe unter drei Jahren bereits besuchen.
Sie knirscht noch nicht mit den Zähnen, wenn über ihren Körper entschieden wird. Sie ist noch nicht radikalisiert und druckt Feministin auf ihre Visitenkarten. Sie wird mich aber morgen auf eine, der vielen, Veranstaltungen zum Frauenkampftag begleiten. Ganz ohne Blumen werde ich versuchen ihr zu zeigen, dass Innovationen und Veränderungen in unserer Gesellschaft immer von den Frauen getragen werden. Sie leisten nicht nur den überwiegenden Teil der Care-Arbeit, sie arbeiten auch größtenteils in unterbezahlten sozialen Berufen und sind viel seltener als jeder Andreas oder Thomas in Vorständen zu finden. Morgen, übermorgen, dieses und viele Jahre in Zukunft werde ich unseren Töchtern, als künftige Frauen, sehr wohl zeigen, wo die Missstände sind und warum diese auch schon mit den eigenen Kinderrechten anfangen und dann drucken wir unsere Visitenkarten neu!
Alu
4 Comments
Anna
7. März 2019 at 15:05Hallo Alu,
danke für den wichtigen Beitrag. Ich kam kürzlich allerdings sehr ins Grübeln, weil dieser neue Feiertag (ausgerechnet!) mir, als nach Stunden bezahlte Teilzeitkraft, Vollzeitstudentin und Mama die Vereinbarkeitsakrobatik doch sehr ins Wanken brachte (nach Montag, Dienstag Kitaschließzeit….). Darf man dafür und dagegen sein? 😉
Liebe Grüße
Anna
RonjaMama
7. März 2019 at 15:47Hallo Alu,
Warum es diesen Feiertag geben soll,wo es doch eh niemanden interessiert warum “frei” ist,bleibt mir schleierhaft!
Was mir dagegen ein Lächeln geschenkt hat,war der Gedanke ,dass alle Spielplätze,Museen etc offen sind und kostenlos für alle Kinder!
Wir Frauen brauchen keine Blumen (oder ganz schlimm Push-Presents),was wir brauchen sind andere Personen,die sehen was wir alles leisten…und uns nicht mit Hass oder neid bewerfen,sondern uns für andere freuen.
Befürchte aber dieser Weg ist noch ewig.
Alles Liebe
RonjaMama
Alu und Konsti
7. März 2019 at 19:55Ich denke du hast recht. Der Weg ist lang! lg Alu
Alu und Konsti
7. März 2019 at 19:56Ja, das kann ich gut verstehen! Man ey. lg Alu