Da sitze ich nun, in der Hand eine Stoffschere, und schneide ein Kostüm zurecht. Ich, die ich weder schneiden noch nähen kann, verbringe meinen Abend damit dir ein Meerjungfrauen Kostüm aus einem alten Hemd und einer Leggins herzustellen.
In meinem Kopf sehe ich die Faschingsverkleidungen meiner Mutter vor mir, aus Gardinen schneiderte sie mir die schönsten Prinzessinenkleider zurecht. Ich drehte mich als Kind so gern in diesen selbstgemachten Verkleidungen und tanzte stolz durch den Kindergarten. In meinem selbstgemachten Kostüm wirst du wohl nicht tanzen, der kleine Fischschwanz hängt schief an deinem Hintern. Ehrlich, warum ich? Warum muss ich sowas machen? Ich fluche leise vor mich hin und irgendwann legst du deine kleine Hand auf meine Hand.
„Man kann das auch aus Papier machen, Mama“
und ich denke nur wieder mal, wie klug du bist und wie wunderbar empathisch.
Als ich den Fischschwanz an beiden Enden der Leggins befestigt habe, zeichne ich noch einen BH auf das Oberteil. Die Textilstifte finde ich in den Tiefen einer Schublade versteckt. Mit erwartungsvollen Augen schaust du mich an.
„Ich will es gleich anziehen“
, sagst du als ich völlig alle die Nadel wegpacke und ich helfe dir dabei die Leggins und das Oberteil anzuziehen.
Du wackelst sofort zum Spiegel und deine Geschwister schmunzeln schon sehr, während du in deinem schiefen Meerjungfrauenkostüm an ihnen vorbei ziehst.
„Bissel schief was?“
murmelt dein Vater und ich sehe ihn ein leichtes Grinsen verbergen. Ich mache dir das Licht im Flur an und du drehst dich vor dem Spiegel.
„Ich finde es sehr schön“
, sagst du und dann fragst du mich ob du es bis zum Schlafen gleich anlassen darfst. Ich wachse, glaube ich, in dieser Sekunde zwei Zentimeter größer als sonst.
„Mich einmal mit deiner kindlichen Liebe sehen“
, das denke ich gerade, während dein Papa dich oben zum Schlafanzug überreden will. Nur einmal, denn das was du mir gibst, trotz meiner vielen Fehlbarkeiten, das ist wirklich besonders und wunderbar. Es trägt mich durch diese ganzen Widrigkeiten des Elternseins, wie Brote schmieren die niemand essen will oder Kostümänderungen nur zehn Stunden vor der Party. Es ist schöner scheitern, irgendwie!
PS: Am nächsten Morgen trug das Kind dann doch ein anderes, ein gekauftes Kostüm, aber ich war trotzdem stolz auf meine Leistung, wenn auch nur für diesen Moment.
Alu
No Comments