Lebenskünstler ist ein Wort, welches bei bestimmten Menschen sehr gut passt. Bei einigen, weil sie sich so durchs Leben lavieren, bei anderen, weil sie es verstehen das Leben kunstvoll zu bestreiten. Letzteres galt für den Kreuzberger Künstler, Trödler und Kneipenwirt Kurt Mühlenhaupt. Fast selbst schon ein Kunstwerk, hatte er zeitlebens oft den richtigen Riecher für Situationen, Menschen und Kunst.
Berlin hat viele Museen und Sammlungen (mehr als 175 sollen es sein). Doch Angebote für alle Generationen sind schwer zu finden, die einen wollen Geschichte, die anderen Action. Wieder andere wollen das bloße Kunsterlebnis.
Das Kurt Mühlenhaupt Museum in Berlin-Kreuzberg bietet eine bunte Mischung für die ganze Familie.
Kunstwerke mit Witz und Motive aus dem Leben von einem Künstler, der auch ein Chronist Berlins war. Mitten im heute trendigen und auch gentrifizierten Kreuzberg, in der Nähe der Marheineke-Markhalle im Bergmannkiez, findet man eines dieser letzten Kleinode, das Kurt Mühlenhaupt Museum.
Hinter einer (irgendwie früh-modern anmutenden) Häuserfassade eröffnet sich ein Berliner Remisenhof, der einst einen Pferdestall, dann eine Fabrik beherbergte. Nun findet sich dort neben einem inklusiven Theater, einer Puppenspielbühne und einigem mehr, das besagte Museum.
Wer hier zu Besuch ist, hat auch gute Chancen nicht nur Kurt Mühlenhaupts Kunst kennenzulernen, sondern auch von seiner Witwe Hannelore auf einen Kaffee eingeladen zu werden. Dabei lässt sich in einem Gespräch mehr über den Menschen, Maler und Grafiker erfahren. Gemeinsam mit ihrem Team, pflegt sie hier unermüdlich Gastlichkeit und das Werk ihres Mannes.
Doch: Wer war Kurt Mühlenhaupt?
Kurt Mühlenhaupt wird 1921 auf einer Zugfahrt von Prag nach Berlin zufällig in Brandenburg geboren. In einfachen Verhältnissen wächst er mit vielen Geschwistern in Berlin-Tempelhof und Blankenfelde auf. Mit 18 Jahren muss er in den Krieg, aus dem er schwer gezeichnet zurückkehrt. Er lässt sich zuerst in Ost-Berlin nieder und beginnt von dort aus ein Kunststudium an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin-Charlottenburg im Westteil. Doch seinem Wunschlehrer Karl Schmidt-Rottluff ist seine Malerei „zu grau“. Daraufhin folgt ein längerer Psychiatrieaufenthalt. Noch vor dem Mauerbau siedelt er auf der Flucht vor der Stasi mit seiner Frau und Tochter endgültig nach West-Berlin über. Bald findet er sich in Kreuzberg wieder, lebt als Drehorgelspieler, wird Trödler und später Kneipier. Um ihn versammelt sich überdies ein Kreis von Kreativen und hauptberuflichen „Taugenichtsen“. In den 1970er-Jahren etabliert er sich als Künstler und kann von seiner naiv-populären Kunst leben.
Ein Ansinnen ist es dem Menschfreund Mühlenhaupt, Kunst auch den kunstfernen Menschen nahezubringen. Er produziert neben Malerei, auch etliche Grafikserien in größeren Auflagen. Bis heute sind diese Drucke im Museum, neben einfallsreichem Merchandise, wie dem eigenem Mühlenhaupt-Gin sowie seinen Büchern, käuflich zu erwerben.
Seine Kunst erreicht unterschiedliche Geschmäcker. Vergleichbar ist er für mich zum Beispiel mit dem Künstler Paul Schultz-Liebisch dessen Metier, in klarer, farbenfroher Malerei und intensiver Druckgrafik, ebenso die „Welt der kleinen Leute“ war.
Das Kurt Mühlenhaupt Museum ist ein Anlaufpunkt.
In seiner West-Berliner Zeit erwirbt Kurt Mühlenhaupt Ende der 1980er-Jahre, wie geschrieben, die alten Fabrikhöfe in Kreuzberg, um hier in Ruhe zu arbeiten. Dort befindet sich heute das Kurt Mühlenhaupt Museum mit seiner stetig wachsenden Dauerausstellung. Dabei kehrt er mit seiner Frau Hannelore nach dem Mauerfall Berlin den Rücken und zieht ins Brandenburgische. Die Witwe kommt jedoch nach seinem Tod, 2006, vor wenigen Jahren auf Wunsch ihres Mannes mit seinen Arbeiten nach Kreuzberg zurück. Nun wird hier, wie schon zuvor in Zehdenick (Brandenburg), in alle Richtungen des lokalen Kulturtreibens kunterbunt hineingewirkt – mit Ausstellungen, Konzerten oder Lesungen.
So passt es nur zu gut, dass die Kurt und Hannelore Mühlenhaupt Stiftung aktiv das 100. Jahr des Berliner Bezirks Kreuzberg mitgestalten. Nicht wenige Menschen kennen den Bezirk und Mühlenhaupts Kiez durch seinen Augen oder mit seinen Bildern. Er war und ist ein Stück der vergangenen und doch erinnerten West-Berliner Stadthälfte. Eine Reise in gesamtdeutsche Geschichte(n) die sich lohnt. So wie ein Besuch bei Mühlenhaupts.
Aktuellen Ausstellungen der Kurt Mühlenhaupt Stiftung
Kreuzberg-Denkmal
„Mühlenhaupt trifft Schinkel und Schadow“
Sockelgeschoss des Kreuzberg-Denkmals
Victoriapark, 10965 Berlin
(mehr dazu erfahrt ihr hier[LINK])
feldfünf
Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz 7-8
10969 Berlin
Am 6. August wird mit der Schau „Die Erfindung Kreuzbergs“ eine dritte Ausstellung u.a. zu Kurt Mühlenhaupt eröffnet – über die Kreuzberger Bohème. Im Studio Studio 1 des Kunstquartiers Bethanien ist sie bis zum 26. September 2021 zu sehen. Sie dreht sich um das Kreuzberg der 1960er- und 1970er-Jahr, in deren Mittelpunkt Kurt Mühlenhaupt stand. Dort dreht sich alles um diese wilden Zeiten und das ebenfalls mit Werken von ihm.
Studio 1 im Kunstquartier Bethanien
Mariannenplatz 2
10997 Berlin
Konsti und Alu
No Comments